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Hermann Pauls Weg von der West- an die Ostfront | über Serbien bis nach Ägypten in englische Kriegsgefangenschaft

Hermann Paul (6.1.1895-18.4.1970) stammte aus Haiger (Hessen). 1912 verließ er das Dillenburger Gymnasium mit der Berechtigung zum einjährigfreiwilligen Militärdienst. Nach einer kurzen Reise als Schiffsjunge auf einem Schiff nach Amerika, besuchte er die Handelsschule in Siegen, um danach in seinem kaufmännischen Beruf zu arbeiten. Bei Ausbruch des Krieges 1914 meldete er sich freiwillig. Da es wegen der hohen Zahl von Meldungen zu einem vorläufigen Einstellungsstopp von Kriegsfreiwilligen kam, musste er an den Kasernentoren in Gießen, Frankfurt, Mainz und Koblenz umkehren. Angenommen wurde er in Bitsch (Lothringen) von dem Rheinischen Jäger-Bataillon Nr. 8 und wurde dort auf dem Truppenübungsplatz zum Oberjäger (Unteroffizier) ausgebildet (zuerst diente er im Ersatz-Bataillon Jäger 8, ab 24.2.1916 in der 4. Kompanie und ab 3.3.1917 in der 2. Maschinengewehr-Kompanie des Rheinischen Jäger-Bataillons). Paul nahm an mehreren Einsätzen an der Westfront (2.3.-10.8.1916 bei Bois du Chena, Allermont, Bézange-Moucel und Gondrescou; 21.12.1916-27.3.1917 an der Somme und bei Auberive) und der Ostfront (15.8.-27.10.1916 an der Zlota-Lipa, der Narajonka und der Ceniowka, Schlacht bei Brzezany). Im Oktober 1916 wurde er mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Nach den Kämpfen in Mazedonien (7.4.-6.11.1917 an der griechischen Grenze, zwischen Ohrida-See und Dudica und zwischen Oberlauf des Skumbi und Dudica) wurde er am 20.7.1917 zum etatmäßigen Vizefeldwebel unter Ernennung zum Offiziersaspiranten ernannt. Als im Januar 1918 der Befehl kam, dass die Jägerbataillone in Mazedonien eine Auswahl tropendiensttauglicher, junger Soldaten abzugeben hätten, traf ihn das Los und er wurde nach nach Vranje (Südserbien) abkommandiert, um dort in das Reserve-Jäger-Bataillon Nr 11 (4. Kompanie) eingegliedert und mit der Eisenbahn über Konstantinopel, Aleppo, Homs, Baalbek und Damaskus an die Palästinafront verlegt zu werden, die von englischen Truppen (mit Australiern und Indern) unter dem Kommando Allenbys und Arabern unter der Führung des Lawrence von Arabien bedroht war. Nach Gefechten in der Küstenebene (nördlich Haram Ali und bei Chirbet el Muntar) geriet er am 14. Juli 1918 bei einem deutschen Angriff in der Nähe des Jordans am Wadi Audscha (nördlich von Jericho) leicht verwundet in englische Kriegsgefangenschaft. Über Jerusalem, El Ramleh/Ramla, El Quantara und Heliopolis ging es in das Lager von Maadi südlich von Kairo, in dem sich auch Kameraden von Paul von Lettow-Vorbecks Afrika-Korps befanden. Seine Briefe nach Hause strotzen noch vor patriotischer Überzeugung. So schreibt er am 5. Oktober 1918 an seine Mutter: „Aber trotz alledem (er beschreibt die militärischen Siege der Engländer, Anm.) müsst ihr euch Zuhause immer vor Augen halten, dass der Weg zu ehrenhaftem Frieden nur über deutsche Siege führt!“ Ebenfalls an seine Mutter schreibt er am 5. Januar 1919: „Wieder ist ein Jahr vergangen. Aber was für ein Jahr!? Ein Jahr der Enttäuschungen und Entbehrungen, die unser liebes Vaterland wohl noch keines durchgemacht hat. … Eine alte Zeit, in der die rohe Gewalt Trumpf war, ist dahingegangen und ein neues Zeitalter, in dem Recht und Gerechtigkeit regieren wird, wird einbrechen.\n In einem Brief an seine Mutter und Geschwister vom 9. Februar 1919 hat sich sein Ton weiter verändert: „Revolution und Bürgerkrieg sind ausgebrochen. Es tut mir leid, dass es in Deutschland so weit gekommen ist. Wie gerne wäre ich jetzt zu Hause, um am Wiederaufbau Deutschlands mitzuarbeiten. … Denn wir werden jetzt ohne Zweifel das freieste Volk der Erde und erhalten die beste Verfassung. … In Zukunft kann der deutsche Geist die Welt erobern und wir können etwas schaffen für uns und die ganze übrige Welt. Denn an Allgemeinbildung und Moral steht unser Volk himmelhoch über allen Völkern.“ Am 25. Oktober 1919 wurde er ausgeliefert und mit dem Schiff nach Deutschland zurückgebracht. Ein Jahr nach dem Waffenstillstand (19.11.1918) ist er in Brunsbüttel angekommen, um dann im Lager von Lokstedt aus der Armee entlassen zu werden. Ein Militärtrasportzug brachte die Heimkehrer nach Berlin, wo sein Kompanieführer Leutnant d. R. Heinrich Völke (der Pauls Führung im Wehrpass mit sehr gut bezeichnete und in seinem Buch Geschichte des Reserve-Jäger-Bataillons Nr. 11 1914-1918, Berlin 1927, den Einsatz in Palästina beschreibt) von General und Marschall (der Türken) Liman von Sanders empfangen wurde, der noch nachträglich Auszeichnungen an die Kompanie verlieh, darunter die türkische Kriegsmedaille Eiserner Halbmond für Hermann Paul (im Wehrpass unter dem 30.10.18 eingetragen). „Wir kamen zurück, um unser geliebtes Vaterland durch Arbeit wieder hoch zu bringen. Aber was ich hier in der Heimat sah, war für mich als Frontsoldat deprimierend. Angewidert von all dem Schwindel, habe ich mich nicht mehr in meinem Beruf, sondern als Waldarbeiter und Holzhauermeister und als Hüttenarbeiter und Betriebsschreiber gearbeitet“, schreibt Paul in seinem handschriftlich verfassten Lebenslauf vom 4. November 1933. Hermann Paul war Zeit seines Lebens sehr am Weltgeschehen und seiner Umwelt interessiert. Wenige Monate nach dem Zweiten Weltkrieg trat er im September 1945 in die SPD ein und engagierte sich seitdem kommunalpolitisch. Seit 1956 war er Stadtverodnetenvorsteher von Haiger und seit 1946 fast ständig Mitglied der Körperschaften des Kreises Dillenburg. 1956 wurde er als Beigeordneter in den Kreisausschuss berufen und bei der Kreistagswahl 1960 auf der SPD-Liste erneut in den Kreistag gewählt. Im Alter von 66 Jahren hatte er sein Mandat niedergelegt. Drei Jahre später heiratete er Luise Rudersdorf aus Haiger.
Die Dokumentensammlung beinhaltet Briefe des 23-jährigen Hermann Paul aus seiner militärischen Anfangszeit, der englischen Gefangenschaft in Ägypten, seinen dortigen Pass sowie seinen Lebenslauf von 1933.

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CREATOR

Hermann Paul

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LANGUAGE

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ITEMS

26

INSTITUTION

Europeana 1914-1918

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METADATA

Source

UGC

Date

1919-10
1916-02

Type

Story

Language

deu
Deutsch

Country

Europe

DataProvider

Europeana 1914-1918

Provider

Europeana 1914-1918

DatasetName

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Begin

1916-02

End

1919-10

Language

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2019-09-11T08:13:50.480Z
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Provenance

BN12

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