Einjährig-Freiwillige im Fußartillerie-Regiment Nr. 9
Die in einem Koblenzer Fotoatelier entstandene Aufnahme zeigt Richard Lauxen, Sohn eines Weingutsbesitzers aus Klotten an der Mosel, in der Mitte von vier weiteren Einjährig-Freiwilligen. In lässiger Haltung, manche mit Zigaretten zwischen den Fingern, blicken die jungen Männer selbstsicher in die Kamera. Richard Lauxen hatte seinen Militärdienst am 1. Oktober 1913 in der Bespannungsabteilung des Schleswig-Holsteinischen Fußartillerie-Regiments Nr. 9 auf der Festung Ehrenbreitstein angetreten und wurde am 1. April 1914 zum Gefreiten befördert. Da er in der Uniform eines Kanoniers abgebildet ist, muss das Foto in den ersten sechs Monaten seiner Dienstzeit entstanden sein (ergänzende Informationen zu Richard Lauxen, dem Großvater von Hans-Josef Graefen: http://www.europeana1914-1918.eu/en/contributions/4180). Mäntel und Hosen in schwarzer Farbe bestätigen die Datierung. Denn beide Uniformstücke wurden nur im Winterhalbjahr vom 16. Oktober bis zum 30. April getragen. Die im Jahr 1902 aufgestellten Bespannungsabteilungen der Fußartillerie sorgten mit ihren Pferden für den Transport der schweren Geschütze. Das I. Bataillon des Regiments lag seit 1893 in Köln, das II. Bataillon in Ehrenbreitstein. Die Kugelspitzen der Helme und die schwarzen Mantelpatten lassen die Soldaten als Artilleristen erkennen. Die Zugehörigkeit zum Fußartillerie-Regiment Nr. 9 zeigen die weißen Schulterstücke mit der roten 9. Säbel mit Faustriemen und Sporen an den Halbstiefeln offenbaren die Zugehörigkeit zur Bespannungsabteilung. Auch andere Details zeigen Unterschiede zur gewöhnlichen Fußartillerie-Uniform, die eine leicht veränderte Infanterie-Uniform war, während die Bespannungsabteilung Anleihen bei der berittenen Truppe machte. So hat etwa der Helm eine Schuppenkette, ein typisches Kennzeichen der berittenen Feldartillerie. Dagegen trugen die Fußartilleristen anderer Abteilungen Helme mit ledernem Sturmriemen. Den Status als Einjährig-Freiwillige der preußischen Armee kennzeichnet die schwarzweiße Schnur an den Schulterstücken. Die glänzenden Helme, das feine Tuch der Mäntel und der oft maßgeschneiderten Steghosen sowie die eleganten, weißen Handschuhe, die im täglichen Dienst nicht getragen wurden, sind charakteristisch für das Erscheinungsbild von Einjährig-Freiwilligen. Der Begriff Einjährig-Freiwillige geht auf die freiwillige Meldung für diese besondere Form des nur einjährigen Militärdienstes zurück, während der gewöhnliche Militärdienst zwei bis drei Jahre dauerte und auf der gesetzlichen Wehrpflicht beruhte. Voraussetzung war allerdings nicht nur ein höherer Schulabschluss, mindestens die Mittlere Reife, die daher als Einjähriges bezeichnet wurde. Vor allem waren es die hohen Kosten, die den Anwärterkreis von vornherein stark einschränkten. Einjährig-Freiwillige waren nämlich verpflichtet, Unterbringung und persönliche Ausrüstung aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Dazu waren in der Regel nur Söhne aus dem gutsituierten Bürgertum in der Lage. Sie erwarben meist qualitativ hochwertige Uniformen, die ihr persönliches Eigentum waren. Auf diese Weise hoben sie sich aus dem Kreis der gewöhnlichen Mannschaftsdienstgrade deutlich ab. Auch ihre nur einjährige Dienstzeit unterschied sich wesentlich vom Militärdienst der übrigen Wehrpflichtigen. Denn ihre Ausbildung war auf ihren späteren Einsatz als Reserveoffiziere gerichtet. So sollten sie die unterschiedlichen Aufgaben ihrer Einheit kennenlernen und Erfahrungen in vielen Bereichen sammeln, um optimal auf ihre spätere Verwendung vorbereitet zu sein. Die Beförderung zum Leutnant der Reserve erfolgte in der Regel schon zwei bis drei Jahre nach der einjährigen Dienstzeit und nach Teilnahme an zwei mehrwöchigen Militärübungen (zur typischen Laufbahn eines Einjährig-Freiwilligen s. den Beitrag zu Max Kranz, dem Schwager von Richard Lauxen: http://www.europeana1914-1918.eu/en/contributions/4157). Die Einjährig-Freiwilligen sicherten den erhöhten Bedarf an Reserveoffizieren in Kriegszeiten. Zudem trugen ihre Privilegien, insbesondere die verkürzte Dienstzeit und die Aussicht auf schnelle Beförderung, erheblich zur Attraktivität des Militärdienstes für das wohlhabende Bürgertum bei. Vorbild der meist bürgerlichen Einjährig-Freiwilligen und Reserveoffiziere war der Berufsoffizier adliger Herkunft, der in der Vorkriegszeit das Erscheinungsbild und den Verhaltenskodex des Offizierskorps maßgeblich prägte. Der Reserveoffiziersrang wurde zum bürgerlichen Statussymbol, ihn nicht zu erreichen galt als Makel. Große Teile des Bürgertums begrüßten den Kriegsausbruch im August 1914 auch deshalb so emphatisch, weil ein Krieg die einmalige Chance zu bieten schien, sich militärisch zu bewähren und auszuzeichnen. Viele glaubten, die Teilnahme an einem siegreichen Krieg verschaffe gesellschaftliche Anerkennung, wie sie in Friedenszeiten nie würde erreicht werden können. Konfrontiert mit der Realität des Krieges trat aber schon bald eine große Desillusionierung ein.
CONTRIBUTOR
Rolf Kranz
DATE
1913-10-01
LANGUAGE
deu
ITEMS
1
INSTITUTION
Europeana 1914-1918
PROGRESS
METADATA
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