Hermann Heinrich Baumann als Bäcker an der Westfront
Transkribiertes Kriegstagebuch des Bäckers Hermann Heinrich Baumann.
Hermann Heinrich Baumann (1.4.1877-15.2.1957) stammte aus Isingdorf bei Halle/Westfalen. Mit seiner Frau Pauline Caroline Johanne (16.1.1880-30.1.1971) hatte er vier Kinder – Martha (*26.2.1904), Wilhelm (*19.4.1910), Gertrud (*4.4.1912) und Elisabeth (*13.2.1915). Das Ehepaar Baumann hatte zunächst einen Bäckerladen in Halle, später einen Landhandel. Baumann war mit Beginn des Krieges als Militärbäcker im Einsatz. Er diente in der Reservebäckerkolonne Nr. 9 des VII. Reserve-Korps. Im Verband mit der 2. Armee marschierte dieses in Frankreich ein und war den gesamten Krieg über an der Westfront stationiert.
Während seines Einsatzes führte Baumann ein Tagebuch, dessen überlieferte Inhalte den Zeitraum zwischen dem 1. August 1914 und dem 21. Februar 1916 umfassen. Das Tagebuch wurde 1996 von Baumanns ältester Tochter Martha Grieswelle, geb. Baumann transkribiert. Das Deckblatt trägt die Eintragung: „Sollte dieses Büchlein jemand finden, den bitte ich dringend, es an meine Frau zu senden. Im Voraus vielen Dank.“ Als Adresse ist angegeben: H. Baumann, Getreideh., Halle/Westf. Geschrieben wurden diese Zeilen am Neujahrstag des Jahres 1915, etwa 18 Kilometer hinter Laon „bei wütendem Kanonendonner“.
Vergingen die Fahrt in Richtung belgische Grenze nach Düren und die ersten Tage noch vorwiegend heiter und unbeschwert („Abends kräftig getrunken“), ging es am 16. August nach Belgien, wo Baumann schnell mit dem Frontalltag konfrontiert wurde: Zerstörungen und Verwüstungen, erste Gefechte. In Lüttich notierte Baumann am 31. Oktober nach einer schlaflosen Nacht, seit 30 Stunden ohne Essen: „keine Post, bin zum Sterben elend“. Baumann wurde Zeuge von Erschießungen und entging selbst nur knapp dem Tod, als er eines Morgens austreten ging: „Kaum hingesetzt, pfiff mir aus den alten Hütten eine Kugel dicht am Ohr vorbei“, schrieb er. Der vermeintliche Täter wurde gefunden, verhört und erschossen. Baumanns Einheit rückte zu Fuß weiter nach Namur. „Liegenbleiben kann man nicht, um nicht abgemurkst zu werden“, hielt er fest „Das was waren bisher die schwersten Tage.“ Am 4. September, mittlerweile in Charleroi, fanden die Soldaten in einem Keller 500 Flaschen Wein. „Die halbe Kolonne war angetrunken.“
Am 10. September ging es über die französische Grenze nach Maubeuge. „Die Backöfen sind noch warm. Soeben hat der Feind aufgehört“, notierte Baumann. Die Tage waren weiterhin von Entbehrungen bestimmt: „Wir führen hier ein schlechtes Leben, ein Hungerleben, das Essen ist kaum noch zu genießen, wenn eben möglich machen wir Bratkartoffeln mit Talg, man muß sich nach dem Essen das geronnene Zeug von den Lippen waschen, ein ekliges Zeug.“ Es sollte zum Alltag werden. Immer wieder schrieb er in den kommenden Wochen Sätze wie „Alles beim Alten“, „Nichts neues“ oder „Nichts passiert“. Zu Weihnachten gab er sich über ein baldiges Kriegsende keinen Illusionen mehr hin. „Trotzdem wir immer hofften, bald zu Haus zu kommen, scheint es noch sehr lange zu dauern, man sollte manchmal verzweifeln. Man hofft leider, leider vergebens.“
Oft drehten sich seine Gedanken um seine Frau. „Leider kein Brief von Paula. Diese Qual, wie es mit ihr geworden ist, hält man bald nicht aus“, vertraute er am 4. Februar 1915 seinem Tagebuch an. Am 18. Februar dann aber die Erleichterung: „Heute endlich Nachricht, daß ein kleines Mädchen angekommen ist, nun ist alles gut, wenn Paula nur nicht zu sehr litt.“ Baumann wurde bald darauf zum Oberbäcker ernannt, was ihm viel Neid einbrachte, wie er bemerkte. Seine Hoffnung auf Frieden drückte er am 28. Februar 1915 wie folgt aus: „Bin nun schon 7 Monate im Krieg. Hört denn dieses Elend nicht bald auf?“.
Nach einer längeren Pause datiert die nächste Eintragung vom 10. Februar 1916 vor Verdun: „Lange habe ich nicht eingetragen. Der Krieg dauert eben zu lange. Man hat keine Lust mehr.“ Der letzte Eintrag stammt vom 21. Februar. „Heute früh 8.10 setzte diese fürchterliche Kanonade ein, die die Welt je gesehen und nie gehört hat. … Man glaubt, die Welt ginge in Stücke.“
Hermann überlebte den Krieg und kehrte nach Hause zu seiner Familie zurück.
CONTRIBUTOR
Christiane Vietmeyer
DATE
1914-08-01 - 1916-02-21
LANGUAGE
deu
ITEMS
17
INSTITUTION
Europeana 1914-1918
PROGRESS
METADATA
Discover Similar Stories
Musketier Hermann Heinrich Thies wird an der Westfront verwundet
8 Items
Der Musketier Hermann Heinrich Thies war von 1916 bis 1918 im Ersten Weltkrieg. Er diente im Infanterie-Regiment 75 und nahm unter anderem an den Kämpfen an der Somme, in Arras und Flandern teil. Wegen einer Verwundung befand er sich 1918 im Lazarett, überlebte jedoch den Krieg. Am 30. April 1917 wurde er mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. || Militärpass von Hermann Heinrich Thies.
Als Bäcker im 1. Weltkrieg
7 Items
3 Postkarten/ Fotos von meinem Großvater Felix Lutoschka 1914 - 1918 || 1. Postkarte aus Frankfurt/Oder vom 17.12.1914 Er schreibt an seine Eltern mit dem Hinweis, dass er erst später zu ihnen kommen kann, da 60 Mann (Bäcker) zum Backen im Depot in Frankfurt/ O. bleiben müssen. Er bittet seine Eltern um Zusendung von etwas Kuchen. Da er noch aus Frankfurt/ O schrieb belegt, dass er zunächst seinen Kriegsdienst noch nicht an der Front ableisten musste, sondern die Verpflegung (vermutlich) der neueingezogenen Soldaten zu sichern hatte. Es ist schon sehr interessant, dass sich mein Großvater Felix als gelernter Bäcker beim Train im Brandenburgischen Bataillon Nr.3 extra Kuchen senden ließ. Diesen wird er vermutlich sicherlich erhalten haben. Dennoch erzählt es meiner Ansicht nach doch etwas von der schweren Arbeit als Bäcker bei der Verpflegungskolonne bzw. Bäckereikompanie. Es wurde wohl in Frankfurt/O vorwiegend nur Brot für den Tross gebacken. Ob das Kommißbrot auch schmeckte oder sich im Tornister der Soldaten frisch hielt kann ich nicht beurteilen. (Foto: links=Felix Lutoschka, rechts=uns unbekannter Offizier) 2. Postkarte 1917 Hier ist Felix Lutoschka zusammen mit seinem Vater Friedrich Lutoschka und seiner Stiefmutter in Forst/ Lausitz zu sehen. Das Foto wurde sicherlich während seines Urlaubes 1917 gemacht. 3. Postkarte 1915 Foto mit seiner Schwägerin Magda Lutoschka 1915 in Forst/ Lausitz. Da Magda einen Wintermantel trägt kann diese Aufnahme während des angekündigten Urlaubes (siehe 1. Postkarte) Neujahr 1915 gemacht worden sein. Einige Lebensdaten zu Fritz Artur Felix Lutoschka (1889 – 1946): Felix Lutoschka wurde am 13.4.1889 in Cottbus geboren. Vater: Johann Friedrich Lutoschka (Reichsbahn – Sekretär) Mutter: Anna Maria Clara, geb. Bergholz Geschwister: 1. Anna Maria Frieda (1882 - 1915) 2. Fritz Alfred Max (1886 – 1942) 3. Frieda Agnes Hedwig (1887 – 1887) 4. Fritz Artur Felix (1889 – 1946) Schule: Volksschule Cottbus, Abschluss mit Oberklassenprädikat (1895 – 1903) Ausbildung: Bäcker- und Konditor, Gesellen-Prüfung am 15.3.1906, mit Auszeichnung bestanden Meisterprüfung: Handwerkskammer Frankfurt/ Oder am 1.3.1919, mit „Gut“ bestanden allg. Wehrdienst: 1911 – 1913 beim Brandenburgischen Jäger-Bataillon 3 in Lübben/ NL Heeresdienst: 1.8.1914 – 1918 als Soldat/ Bäcker eingezogen, dann an die Westfront beordert, als Feldwebel entlassen 1918 Heirat: 7.6.1927 mit Johanna Charlotte Balzke 15.12.1908 - 1993, Tochter des Bahnangestellten Friedrich Balzke und Maria Lieback aus Cottbus Heiratsregister Cottbus Nr. 175/ 1927, Aufgebotsregister Cottbus 154/ 1927 Kinder: 7 Tod: 23.2.1946 infolge einer Blinddarmentzündung/ OP im Städtischen Krankenhaus Cottbus (Sterberegister Nr. 614/1946) || || Felix Lutoschka || Front || 52.342491,14.538130000000024 || Postcard || Frankfurt/ Oder || Mein Großvater Felix als Feldbäcker im 1. Weltkrieg || Postkarte 1914 von Felix Lutoschka an seine Eltern Friedrich und Anna Lutoschka in Forst/ Lausitz. || || Frankfurt/ Oder || Fritz Artur Felix Lutoschka (1889 – 1946) Felix Lutoschka wurde am 13.4.1889 in Cottbus geboren. Vater: Johann Friedrich Lutoschka (Reichsbahn – Sekretär) Mutter: Anna Maria Clara, geb. Bergholz Geschwister: 1. Anna Maria Frieda (1882 - 1915) 2. Fritz Alfred Max (1886 – 1942) 3. Frieda Agnes Hedwig (1887 – 1887) 4. Fritz Artur Felix (1889 – 1946) Schule: Volksschule Cottbus, Abschluss mit Oberklassenprädikat (1895 – 1903) Ausbildung: Bäcker- und Konditor, Gesellen-Prüfung am 15.3.1906, mit Auszeichnung bestanden Meisterprüfung: Handwerkskammer Frankfurt/ Oder am 1.3.1919, mit „Gut“ bestanden Wehrdienst: 1911 – 1913 beim Brandenburgischen Jäger-Bataillon 3 in Lübben/ NL Heeresdienst: 1.8.1914 – 1918 als Soldat/ Bäcker eingezogen, zur Feldbäckerei an die Westfront beordert, als Feldwebel entlassen 1918 Heirat: 7.6.1927 mit Johanna Charlotte Balzke 15.12.1908 - 1993, Tochter des Bahnangestellten Friedrich Balzke und Maria Lieback aus Cottbus Heiratsregister Cottbus Nr. 175/ 1927, Aufgebotsregister Cottbus 154/ 1927 Kinder: 7 Tod: 23.2.1946 infolge einer Blinddarmentzündung/ OP im Städtischen Krankenhaus Cottbus ( Sterberegister Nr. 614/ 1946) || 52.342491,14.538130000000024 || Mein Großvater in Frankfurt/ Oder beim Train || Postcard || Mein Großvater Felix als Feldbäcker im 1. Weltkrieg || Back || || Felix Lutoschka || Postcard || Forst/ Lausitz || 51.73333,14.63333 || Auf Urlaub bei seinen Eltern 1917 in Forst/ Lausitz || Auf Heimaturlaub bei seinen Eltern in Forst/ Lausitz 1917 || || Felix Lutoschka mit seinen Eltern 1917 in Forst/ Lausitz || Postcard || Felix Lutoschka || Forst/ Lausitz || 51.73333,14.63333 || Back || || Postkarte von Felix Lutoschka mit seinem Foto von 1918 aus dem Großen Hauptquartier (?) || Im Großen hauptquartier 1918 || Spa/ Belgien - Westfront || Im Großen Hauptquartier - Foto von Felix Lutoschka || Postcard || Front || 50.49243,5.864320000000021 || || 50.49243,5.864320000000021 || Postkarte mit Datum und Ort von Felix Lutoschka || Postcard || Spa/ Belgien - Westfront || Im Großen Hauptquartier 1918 || Back || Postkarte von Felix Lutoschka 1918 aus dem Gro0en Hauptquartier Spa/ Belgien || || Front || Postcard || Forst/ Lausitz || Soldat Felix mit seiner Schwägerin Magda, zu Besuch bei den Eltern 1915 in Forst/ Lausitz. Zum Familientreffen war auch der Bruder Alfred aus Witebsk bei den Eltern anwesend, so dass sich Felix mit seiner Schwägerin ablichten ließ. || 51.73333,14.63333 || Felix Lutoschka || Soldat Felix Lutoschka mit seiner Schwägerin Magda Lutoschka in Forst/ Lausitz
Gefreiter Hermann Ahlbrecht an der Westfront
6 Items
Der Gefreite Hermann Ahlbrecht (1885-1967) gehörte während des Krieges der 2. Kompanie des 92. Reserve-Infanterie-Regiments an. Mit diesem nahm er an den Stellungskämpfen an der Westfront in Frankreich teil, z. B. in der Champagne oder bei Verdun. Laut Familienüberlieferung ist er begeistert in den Krieg gezogen. Jedoch habe bei ihm sehr schnell die Ernüchterung eingesetzt. Während des Krieges wurde er durch einen Halsdurchschuss verwundert. In der Folge habe er nur noch sehr ruhig und in einer Tonlage sprechen können. Verliehen wurde ihm das Eisernen Kreuz II. Klasse, das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse 1918 und das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Das Verwundetenabzeichen für ein- bis zweimalige Verwundung erhielt er wegen seines Halsdurchschusses. || Ein Foto von Hermann Ahlbrecht in Uniform, ein Gruppenfoto von Ahlbrecht mit Kameraden, eine Feldpostkarte (mit Poststempel vom 28. September 1918), die er aus Hamburg während eines Lazarettaufenthalts an seine damalige Verlobte, Fräulein Leßmann aus seinem Heimatort Stadtoldendorf, schreibt; ein Zeitungsausschnitt über das Regiment von Hermann Ahlbrecht.