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item 35
Osteuropa
___________________________________________________________________________________ 31
linke Spalte
heim. Viele wurden in die
Lager von Kolyma, Kasachstan
und Norilsk verfrachtet. Unter
ihnen auch heldenhafte
Verteidiger von Brest,
Sewastopol, Odessa, Stalingrad
und Moskau.
Unter dem Strich kann man
die Gesamtzahl der Opfer des
Stalinismus in den Jahren 1941
bis 1946 mit mindestens zehn
Millionen angeben.
mittlere Spalte
Zwischen 1947 und 1953 haben
wir etliche weitere Repres-
sionsmaßnahmen erleben müssen.
Unter ihnen der "Fall Lenin-
grad", die Bekämpfung der
"Kosmopoliten", und der
"Mordärzte". Jede dieser
Kampagnen ging mit Festnahmen
einher. Auch "üblich" moti-
vierte Arreste dauerten an:
wegen "antisowjetischer
Propaganda" und auf Grund
aller Punkte des Paragraphen
58 des Strafgesetzbuches. Der
rechte Spalte
grausame Krieg und die
Repressionen früherer Jahr-
zehnte aber hatten das Land
so ausgeblutet, daß die
Verhaftungen der Jahre 1947
bis 1953 nicht mehr die
bisherige Größenordnung
erreichten. Ich denke, daß
ich mich nicht irre, wenn ich
eine Million von Repressionen
Betroffene nenne.
Eine graue Statistik. Aber
wir sollten sie kennen.
Wie es zur Stagnationszeit kam
Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968
linke Spalte
Neue Zeiten im Land
Beim Vergleich des ersten
"Post-Stalin-Jahrzehnts" mit
den folgenden Zeitabschnitten
fallen zunächst ein rasantes
Auf und Ab und ein anschei-
nender Uhrenstopp ins Auge.
Doch die Unterschiede liegen
tiefer. In den 50er Jahren bot
sich folgendes Bild: Eine
politisch unreife und inerte,
gerade dem blutigen Terror
entronnene Gesellschaft und
eine unausgesetzt experimen-
tierende Staatsmacht suchten,
wenn auch unbeholfen und
inkonsequent, nach Auswegen
aus dem verfahrenen Gelände
des Stalinismus. Das alles
wurde nach dem Oktober 1964
anders. Die Vorstellungen der
Machtorgane von Müssen und
Dürfen wurden zunehmend
konservativer und ihr Ver-
halten abblockend. Die
Gesellschaft dagegen setzte
den Reifeprozess fort, begann
den Ausweg über soziale und
politische Aktivitäten zu
suchen. Nur so konnte es zum
März 1985 und zur Perestroika
kommen.
Im Oktober 1964 wurden die
Bilder Nikita Chruschtschows
überall durch Porträts von
Leonid Breschnew und Alexej
Kossygin ersetzt, die sich nun
dessen Ämter teilten. Das war
die hauptsächliche und
eigentlich einzige Umstellung
mittlere Spalte
in der obersten Machtetage.
Etwas später schied Anastas
Mikojan ¹ aus. Insgesamt
änderte sich in zentralen
Parteiorganen kaum etwas.
Politischer Linienwechsel bei
minimalem Kaderwechsel in der
Führungsschicht war das
hervorstechende Merkmal der
Oktoberwende 1964. Daraus läßt
sich offenbar herleiten, daß
die obrigkeitliche Unterstüt-
zung der auf dem XX. und
XXIII. Parteitag verkündeten
Linie in den letzten Jahren
allmählich abflaute und
vorwiegend auf Chruschtschow,
auf dessen persönlichem
Einfluß und auf der Autorität
seiner Ämter basierte. Mit
Chruschtschow verschwand auch
dessen unter demonstrativer
Einmütigkeit verfolgte
Politik. Es gab kein demokra-
tisches Instrumentarium, das
einen Umsturz durch den
Apparat hätte verhindern
können.
Der Stalinismus hatte den
hohen Funktionären des Partei-
und Staatsapparates enorme
Macht über die Mitbürger und
beneidenswerte Privilegien
verliehen, und die Beschlüsse
des XX. Parteitages gaben
ihnen das Empfinden der
persönlichen Sicherheit
wieder. Jetzt, nachdem sie
sich als soziale Schicht mit
einer relativ beständigen
rechte Spalte
Zusammensetzung und von ihr
selbst bestimmten Methoden
der (vom Apparat lancierten
und als "Leninsche Prinzipien
der Kaderauswahl" ausgege-
benen) Komplementierung
konsolidiert hatten, fühlten
sie sich sehr viel standfes-
ter.
Im Herbst 1964 wurde - nicht
zeitweilig, wie damals viele
glaubten, sondern für 20
Jahre - die Hauptfrage der
Machtausübung entschieden.
Sie ging in die Hände eines
resistenten Blocks über, der
die bisherigen gemäßigten, zu
liberalen Konservativen
gewordenen Anhänger Chruscht-
schows, den zunehmend
kor[r]umpierten zentralen und
lokalen Beamtenclan, pragma-
tische Karrieremacher und
deren wissenschaftliche und
ideologische Kulis umfaßte.
Zu den Förderungskräften
dieses Blocks darf man die
politisch aktiven Neostali-
nisten zählen, die selbstre-
dend keine Renaissance des
Massenterrors wünschten, aber
gezielte Repressionen
forderten und der alten
Ordnung unermüdlich nachtrau-
erten.
Dieser Block bildet sich
übrigens nicht gleich, und
auch seine politische Linie
blieb vorab unklar. Offenbar
besaßen die gestrigen
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Document Type
Document Description
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STORY INFORMATION
Title
Umweltblätter - Infoblatt des Friedens- und Umweltkreises Zionskirchgemeinde
Type
Zeitschrift
Rights
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/pl/ Creative Commons Namensnennung -Weitergabe unter gleichen Bedingungen (CC-BY-SA)
Language
deu
Country
Germany
DataProvider
Europeana 1989
Provider
Europeana 1989
DatasetName
135_Ag_EU_1989_Germany
Language
de
Story Description
Europeana 1989 - Berlin, 12-13.09.2014
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DESCRIPTION
PEOPLE
STORY INFO
TUTORIAL
item 35
Osteuropa
___________________________________________________________________________________ 31
linke Spalte
heim. Viele wurden in die
Lager von Kolyma, Kasachstan
und Norilsk verfrachtet. Unter
ihnen auch heldenhafte
Verteidiger von Brest,
Sewastopol, Odessa, Stalingrad
und Moskau.
Unter dem Strich kann man
die Gesamtzahl der Opfer des
Stalinismus in den Jahren 1941
bis 1946 mit mindestens zehn
Millionen angeben.
mittlere Spalte
Zwischen 1947 und 1953 haben
wir etliche weitere Repres-
sionsmaßnahmen erleben müssen.
Unter ihnen der "Fall Lenin-
grad", die Bekämpfung der
"Kosmopoliten", und der
"Mordärzte". Jede dieser
Kampagnen ging mit Festnahmen
einher. Auch "üblich" moti-
vierte Arreste dauerten an:
wegen "antisowjetischer
Propaganda" und auf Grund
aller Punkte des Paragraphen
58 des Strafgesetzbuches. Der
rechte Spalte
grausame Krieg und die
Repressionen früherer Jahr-
zehnte aber hatten das Land
so ausgeblutet, daß die
Verhaftungen der Jahre 1947
bis 1953 nicht mehr die
bisherige Größenordnung
erreichten. Ich denke, daß
ich mich nicht irre, wenn ich
eine Million von Repressionen
Betroffene nenne.
Eine graue Statistik. Aber
wir sollten sie kennen.
Wie es zur Stagnationszeit kam
Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968
linke Spalte
Neue Zeiten im Land
Beim Vergleich des ersten
"Post-Stalin-Jahrzehnts" mit
den folgenden Zeitabschnitten
fallen zunächst ein rasantes
Auf und Ab und ein anschei-
nender Uhrenstopp ins Auge.
Doch die Unterschiede liegen
tiefer. In den 50er Jahren bot
sich folgendes Bild: Eine
politisch unreife und inerte,
gerade dem blutigen Terror
entronnene Gesellschaft und
eine unausgesetzt experimen-
tierende Staatsmacht suchten,
wenn auch unbeholfen und
inkonsequent, nach Auswegen
aus dem verfahrenen Gelände
des Stalinismus. Das alles
wurde nach dem Oktober 1964
anders. Die Vorstellungen der
Machtorgane von Müssen und
Dürfen wurden zunehmend
konservativer und ihr Ver-
halten abblockend. Die
Gesellschaft dagegen setzte
den Reifeprozess fort, begann
den Ausweg über soziale und
politische Aktivitäten zu
suchen. Nur so konnte es zum
März 1985 und zur Perestroika
kommen.
Im Oktober 1964 wurden die
Bilder Nikita Chruschtschows
überall durch Porträts von
Leonid Breschnew und Alexej
Kossygin ersetzt, die sich nun
dessen Ämter teilten. Das war
die hauptsächliche und
eigentlich einzige Umstellung
mittlere Spalte
in der obersten Machtetage.
Etwas später schied Anastas
Mikojan ¹ aus. Insgesamt
änderte sich in zentralen
Parteiorganen kaum etwas.
Politischer Linienwechsel bei
minimalem Kaderwechsel in der
Führungsschicht war das
hervorstechende Merkmal der
Oktoberwende 1964. Daraus läßt
sich offenbar herleiten, daß
die obrigkeitliche Unterstüt-
zung der auf dem XX. und
XXIII. Parteitag verkündeten
Linie in den letzten Jahren
allmählich abflaute und
vorwiegend auf Chruschtschow,
auf dessen persönlichem
Einfluß und auf der Autorität
seiner Ämter basierte. Mit
Chruschtschow verschwand auch
dessen unter demonstrativer
Einmütigkeit verfolgte
Politik. Es gab kein demokra-
tisches Instrumentarium, das
einen Umsturz durch den
Apparat hätte verhindern
können.
Der Stalinismus hatte den
hohen Funktionären des Partei-
und Staatsapparates enorme
Macht über die Mitbürger und
beneidenswerte Privilegien
verliehen, und die Beschlüsse
des XX. Parteitages gaben
ihnen das Empfinden der
persönlichen Sicherheit
wieder. Jetzt, nachdem sie
sich als soziale Schicht mit
einer relativ beständigen
rechte Spalte
Zusammensetzung und von ihr
selbst bestimmten Methoden
der (vom Apparat lancierten
und als "Leninsche Prinzipien
der Kaderauswahl" ausgege-
benen) Komplementierung
konsolidiert hatten, fühlten
sie sich sehr viel standfes-
ter.
Im Herbst 1964 wurde - nicht
zeitweilig, wie damals viele
glaubten, sondern für 20
Jahre - die Hauptfrage der
Machtausübung entschieden.
Sie ging in die Hände eines
resistenten Blocks über, der
die bisherigen gemäßigten, zu
liberalen Konservativen
gewordenen Anhänger Chruscht-
schows, den zunehmend
kor[r]umpierten zentralen und
lokalen Beamtenclan, pragma-
tische Karrieremacher und
deren wissenschaftliche und
ideologische Kulis umfaßte.
Zu den Förderungskräften
dieses Blocks darf man die
politisch aktiven Neostali-
nisten zählen, die selbstre-
dend keine Renaissance des
Massenterrors wünschten, aber
gezielte Repressionen
forderten und der alten
Ordnung unermüdlich nachtrau-
erten.
Dieser Block bildet sich
übrigens nicht gleich, und
auch seine politische Linie
blieb vorab unklar. Offenbar
besaßen die gestrigen
- Deutsch (German)
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heim. Viele wurden in die
Lager von Kolyma, Kasachstan
und Norilsk verfrachtet. Unter
ihnen auch heldenhafte
Verteidiger von Brest,
Sewastopol, Odessa, Stalingrad
und Moskau.
Unter dem Strich kann man
die Gesamtzahl der Opfer des
Stalinismus in den Jahren 1941
bis 1946 mit mindestens zehn
Millionen angeben.
mittlere Spalte
Zwischen 1947 und 1953 haben
wir etliche weitere Repres-
sionsmaßnahmen erleben müssen.
Unter ihnen der "Fall Lenin-
grad", die Bekämpfung der
"Kosmopoliten", und der
"Mordärzte". Jede dieser
Kampagnen ging mit Festnahmen
einher. Auch "üblich" moti-
vierte Arreste dauerten an:
wegen "antisowjetischer
Propaganda" und auf Grund
aller Punkte des Paragraphen
58 des Strafgesetzbuches. Der
rechte Spalte
grausame Krieg und die
Repressionen früherer Jahr-
zehnte aber hatten das Land
so ausgeblutet, daß die
Verhaftungen der Jahre 1947
bis 1953 nicht mehr die
bisherige Größenordnung
erreichten. Ich denke, daß
ich mich nicht irre, wenn ich
eine Million von Repressionen
Betroffene nenne.
Eine graue Statistik. Aber
wir sollten sie kennen.
Wie es zur Stagnationszeit kam
Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968
linke Spalte
Neue Zeiten im Land
Beim Vergleich des ersten
"Post-Stalin-Jahrzehnts" mit
den folgenden Zeitabschnitten
fallen zunächst ein rasantes
Auf und Ab und ein anschei-
nender Uhrenstopp ins Auge.
Doch die Unterschiede liegen
tiefer. In den 50er Jahren bot
sich folgendes Bild: Eine
politisch unreife und inerte,
gerade dem blutigen Terror
entronnene Gesellschaft und
eine unausgesetzt experimen-
tierende Staatsmacht suchten,
wenn auch unbeholfen und
inkonsequent, nach Auswegen
aus dem verfahrenen Gelände
des Stalinismus. Das alles
wurde nach dem Oktober 1964
anders. Die Vorstellungen der
Machtorgane von Müssen und
Dürfen wurden zunehmend
konservativer und ihr Ver-
halten abblockend. Die
Gesellschaft dagegen setzte
den Reifeprozess fort, begann
den Ausweg über soziale und
politische Aktivitäten zu
suchen. Nur so konnte es zum
März 1985 und zur Perestroika
kommen.
Im Oktober 1964 wurden die
Bilder Nikita Chruschtschows
überall durch Porträts von
Leonid Breschnew und Alexej
Kossygin ersetzt, die sich nun
dessen Ämter teilten. Das war
die hauptsächliche und
eigentlich einzige Umstellung
mittlere Spalte
in der obersten Machtetage.
Etwas später schied Anastas
Mikojan ¹ aus. Insgesamt
änderte sich in zentralen
Parteiorganen kaum etwas.
Politischer Linienwechsel bei
minimalem Kaderwechsel in der
Führungsschicht war das
hervorstechende Merkmal der
Oktoberwende 1964. Daraus läßt
sich offenbar herleiten, daß
die obrigkeitliche Unterstüt-
zung der auf dem XX. und
XXIII. Parteitag verkündeten
Linie in den letzten Jahren
allmählich abflaute und
vorwiegend auf Chruschtschow,
auf dessen persönlichem
Einfluß und auf der Autorität
seiner Ämter basierte. Mit
Chruschtschow verschwand auch
dessen unter demonstrativer
Einmütigkeit verfolgte
Politik. Es gab kein demokra-
tisches Instrumentarium, das
einen Umsturz durch den
Apparat hätte verhindern
können.
Der Stalinismus hatte den
hohen Funktionären des Partei-
und Staatsapparates enorme
Macht über die Mitbürger und
beneidenswerte Privilegien
verliehen, und die Beschlüsse
des XX. Parteitages gaben
ihnen das Empfinden der
persönlichen Sicherheit
wieder. Jetzt, nachdem sie
sich als soziale Schicht mit
einer relativ beständigen
rechte Spalte
Zusammensetzung und von ihr
selbst bestimmten Methoden
der (vom Apparat lancierten
und als "Leninsche Prinzipien
der Kaderauswahl" ausgege-
benen) Komplementierung
konsolidiert hatten, fühlten
sie sich sehr viel standfes-
ter.
Im Herbst 1964 wurde - nicht
zeitweilig, wie damals viele
glaubten, sondern für 20
Jahre - die Hauptfrage der
Machtausübung entschieden.
Sie ging in die Hände eines
resistenten Blocks über, der
die bisherigen gemäßigten, zu
liberalen Konservativen
gewordenen Anhänger Chruscht-
schows, den zunehmend
kor[r]umpierten zentralen und
lokalen Beamtenclan, pragma-
tische Karrieremacher und
deren wissenschaftliche und
ideologische Kulis umfaßte.
Zu den Förderungskräften
dieses Blocks darf man die
politisch aktiven Neostali-
nisten zählen, die selbstre-
dend keine Renaissance des
Massenterrors wünschten, aber
gezielte Repressionen
forderten und der alten
Ordnung unermüdlich nachtrau-
erten.
Dieser Block bildet sich
übrigens nicht gleich, und
auch seine politische Linie
blieb vorab unklar. Offenbar
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item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung mittlere Spalte in der obersten Machtetage. Etwas später schied Anastas Mikojan ¹ aus. Insgesamt änderte sich in zentralen Parteiorganen kaum etwas. Politischer Linienwechsel bei minimalem Kaderwechsel in der Führungsschicht war das hervorstechende Merkmal der Oktoberwende 1964. Daraus läßt sich offenbar herleiten, daß die obrigkeitliche Unterstüt- zung der auf dem XX. und XXIII. Parteitag verkündeten Linie in den letzten Jahren allmählich abflaute und vorwiegend auf Chruschtschow, auf dessen persönlichem Einfluß und auf der Autorität seiner Ämter basierte. Mit Chruschtschow verschwand auch dessen unter demonstrativer Einmütigkeit verfolgte Politik. Es gab kein demokra- tisches Instrumentarium, das einen Umsturz durch den Apparat hätte verhindern können. Der Stalinismus hatte den hohen Funktionären des Partei- und Staatsapparates enorme Macht über die Mitbürger und beneidenswerte Privilegien verliehen, und die Beschlüsse des XX. Parteitages gaben ihnen das Empfinden der persönlichen Sicherheit wieder. Jetzt, nachdem sie sich als soziale Schicht mit einer relativ beständigen rechte Spalte Zusammensetzung und von ihr selbst bestimmten Methoden der (vom Apparat lancierten und als "Leninsche Prinzipien der Kaderauswahl" ausgege- benen) Komplementierung konsolidiert hatten, fühlten sie sich sehr viel standfes- ter. Im Herbst 1964 wurde - nicht zeitweilig, wie damals viele glaubten, sondern für 20 Jahre - die Hauptfrage der Machtausübung entschieden. Sie ging in die Hände eines resistenten Blocks über, der die bisherigen gemäßigten, zu liberalen Konservativen gewordenen Anhänger Chruscht- schows, den zunehmend kor[r]umpierten zentralen und lokalen Beamtenclan, pragma- tische Karrieremacher und deren wissenschaftliche und ideologische Kulis umfaßte. Zu den Förderungskräften dieses Blocks darf man die politisch aktiven Neostali- nisten zählen, die selbstre- dend keine Renaissance des Massenterrors wünschten, aber gezielte Repressionen forderten und der alten Ordnung unermüdlich nachtrau- erten.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung mittlere Spalte in der obersten Machtetage. Etwas später schied Anastas Mikojan ¹ aus. Insgesamt änderte sich in zentralen Parteiorganen kaum etwas. Politischer Linienwechsel bei minimalem Kaderwechsel in der Führungsschicht war das hervorstechende Merkmal der Oktoberwende 1964. Daraus läßt sich offenbar herleiten, daß die obrigkeitliche Unterstüt- zung der auf dem XX. und XXIII. Parteitag verkündeten Linie in den letzten Jahren allmählich abflaute und vorwiegend auf Chruschtschow, auf dessen persönlichem Einfluß und auf der Autorität seiner Ämter basierte. Mit Chruschtschow verschwand auch dessen unter demonstrativer Einmütigkeit verfolgte Politik. Es gab kein demokra- tisches Instrumentarium, das einen Umsturz durch den Apparat hätte verhindern können. Der Stalinismus hatte den hohen Funktionären des Partei- und Staatsapparates enorme Macht über die Mitbürger und beneidenswerte Privilegien verliehen, und die Beschlüsse des XX. Parteitages gaben ihnen das Empfinden der persönlichen Sicherheit wieder. Jetzt, nachdem sie sich als soziale Schicht mit einer relativ beständigen rechte Spalte Zusammensetzung und von ihr selbst bestimmten Methoden der (vom Apparat lancierten und als "Leninsche Prinzipien der Kaderauswahl" ausgege- benen) Komplementierung konsolidiert hatten, fühlten sie sich sehr viel standfes- ter. Im Herbst 1964 wurde - nicht zeitweilig, wie damals viele glaubten, sondern für 20 Jahre - die Hauptfrage der Machtausübung entschieden. Sie ging in die Hände eines resistenten Blocks über, der die bisherigen gemäßigten, zu liberalen Konservativen gewordenen Anhänger Chruscht- schows, den zunehmend kor[r]umpierten zentralen und lokalen Beamtenclan, pragma- tische Karrieremacher und deren wissenschaftliche und ideologische Kulis umfaßte.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung mittlere Spalte in der obersten Machtetage. Etwas später schied Anastas Mikojan ¹ aus. Insgesamt änderte sich in zentralen Parteiorganen kaum etwas. Politischer Linienwechsel bei minimalem Kaderwechsel in der Führungsschicht war das hervorstechende Merkmal der Oktoberwende 1964. Daraus läßt sich offenbar herleiten, daß die obrigkeitliche Unterstüt- zung der auf dem XX. und XXIII. Parteitag verkündeten Linie in den letzten Jahren allmählich abflaute und vorwiegend auf Chruschtschow, auf dessen persönlichem Einfluß und auf der Autorität seiner Ämter basierte. Mit Chruschtschow verschwand auch dessen unter demonstrativer Einmütigkeit verfolgte Politik. Es gab kein demokra- tisches Instrumentarium, das einen Umsturz durch den Apparat hätte verhindern können. Der Stalinismus hatte den hohen Funktionären des Partei- und Staatsapparates enorme Macht über die Mitbürger und beneidenswerte Privilegien verliehen, und die Beschlüsse des XX. Parteitages gaben ihnen das Empfinden der persönlichen Sicherheit wieder. Jetzt, nachdem sie sich als soziale Schicht mit einer relativ beständigen rechte Spalte Zusammensetzung und von ihr selbst bestimmten Methoden der (vom Apparat lancierten und als "Leninsche Prinzipien der Kaderauswahl" ausgege- benen) Komplementierung konsolidiert hatten, fühlten sie sich sehr viel standfes- ter. Im Herbst 1964 wurde - nicht zeitweilig, wie damals viele glaubten, sondern für 20 Jahre - die Hauptfrage der Machtausübung entschieden. Sie ging in die Hände eines resistenten Blocks über, der die bisherigen gemäßigten, zu liberalen Konservativen gewordenen Anhänger Chruscht- schows, den zunehmend
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung mittlere Spalte in der obersten Machtetage. Etwas später schied Anastas Mikojan ¹ aus. Insgesamt änderte sich in zentralen Parteiorganen kaum etwas. Politischer Linienwechsel bei minimalem Kaderwechsel in der Führungsschicht war das hervorstechende Merkmal der Oktoberwende 1964. Daraus läßt sich offenbar herleiten, daß die obrigkeitliche Unterstüt- zung der auf dem XX. und XXIII. Parteitag verkündeten Linie in den letzten Jahren allmählich abflaute und vorwiegend auf Chruschtschow, auf dessen persönlichem Einfluß und auf der Autorität seiner Ämter basierte. Mit Chruschtschow verschwand auch dessen unter demonstrativer Einmütigkeit verfolgte Politik. Es gab kein demokra- tisches Instrumentarium, das einen Umsturz durch den Apparat hätte verhindern können. Der Stalinismus hatte den hohen Funktionären des Partei- und Staatsapparates enorme Macht über die Mitbürger und beneidenswerte Privilegien verliehen, und die Beschlüsse des XX. Parteitages gaben ihnen das Empfinden der persönlichen Sicherheit wieder. Jetzt, nachdem sie sich als soziale Schicht mit einer relativ beständigen rechte Spalte Zusammensetzung und von ihr selbst bestimmten Methoden der (vom Apparat lancierten und als "Leninsche Prinzipien der Kaderauswahl" ausgege- benen) Komplementierung konsolidiert hatten, fühlten sie sich sehr viel standfes- ter.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung mittlere Spalte in der obersten Machtetage. Etwas später schied Anastas Mikojan ¹ aus. Insgesamt änderte sich in zentralen Parteiorganen kaum etwas. Politischer Linienwechsel bei minimalem Kaderwechsel in der Führungsschicht war das hervorstechende Merkmal der Oktoberwende 1964. Daraus läßt sich offenbar herleiten, daß die obrigkeitliche Unterstüt- zung der auf dem XX. und XXIII. Parteitag verkündeten Linie in den letzten Jahren allmählich abflaute und vorwiegend auf Chruschtschow, auf dessen persönlichem Einfluß und auf der Autorität seiner Ämter basierte. Mit Chruschtschow verschwand auch dessen unter demonstrativer Einmütigkeit verfolgte Politik. Es gab kein demokra- tisches Instrumentarium, das einen Umsturz durch den Apparat hätte verhindern können. Der Stalinismus hatte den hohen Funktionären des Partei- und Staatsapparates enorme Macht über die Mitbürger und beneidenswerte Privilegien verliehen, und die Beschlüsse des XX. Parteitages gaben ihnen das Empfinden der persönlichen Sicherheit wieder. Jetzt, nachdem sie sich als soziale Schicht mit einer relativ beständigen
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung mittlere Spalte in der obersten Machtetage. Etwas später schied Anastas Mikojan ¹ aus. Insgesamt änderte sich in zentralen Parteiorganen kaum etwas. Politischer Linienwechsel bei minimalem Kaderwechsel in der Führungsschicht war das hervorstechende Merkmal der Oktoberwende 1964. Daraus läßt sich offenbar herleiten, daß die obrigkeitliche Unterstüt- zung der auf dem XX. und XXIII. Parteitag verkündeten Linie in den letzten Jahren allmählich abflaute und vorwiegend auf Chruschtschow, auf dessen persönlichem Einfluß und auf der Autorität seiner Ämter basierte. Mit Chruschtschow verschwand auch dessen unter demonstrativer Einmütigkeit verfolgte Politik. Es gab kein demokra- tisches Instrumentarium, das einen Umsturz durch den Apparat hätte verhindern können.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung mittlere Spalte in der obersten Machtetage. Etwas später schied Anastas Mikojan ¹ aus. Insgesamt änderte sich in zentralen Parteiorganen kaum etwas. Politischer Linienwechsel bei minimalem Kaderwechsel in der Führungsschicht war das hervorstechende Merkmal der Oktoberwende 1964. Daraus läßt sich offenbar herleiten, daß die obrigkeitliche Unterstüt- zung der auf dem XX. und XXIII. Parteitag verkündeten Linie in denletzten Jahren allmählich abflaute
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen. Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächliche und eigentlich einzige Umstellung
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend. Die Gesellschaft dagegen setzte den Reifeprozess fort, begann den Ausweg über soziale und politische Aktivitäten zu suchen.Nur so konnte es zum März 1985 und zur Perestroika kommen. Im Oktober 1964 wurden die Bilder Nikita Chruschtschows überall durch Porträts von Leonid Breschnew und Alexej Kossygin ersetzt, die sich nun dessen Ämter teilten. Das war die hauptsächloiche und eigentlich einzige Umstellung
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes Auf und Ab und ein anschei- nender Uhrenstopp ins Auge. Doch die Unterschiede liegen tiefer. In den 50er Jahren bot sich folgendes Bild: Eine politisch unreife und inerte, gerade dem blutigen Terror entronnene Gesellschaft und eine unausgesetzt experimen- tierende Staatsmacht suchten, wenn auch unbeholfen und inkonsequent, nach Auswegen aus dem verfahrenen Gelände des Stalinismus. Das alles wurde nach dem Oktober 1964 anders. Die Vorstellungen der Machtorgane von Müssen und Dürfen wurden zunehmend konservativer und ihr Ver- halten abblockend.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen. Wie es zur Stagnationszeit kam Eine politische Analyse der Jahre 1964 bis 1968 linke Spalte Neue Zeiten im Land Beim Vergleich des ersten "Post-Stalin-Jahrzehnts" mit den folgenden Zeitabschnitten fallen zunächst ein rasantes
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der rechte Spalte grausame Krieg und die Repressionen früherer Jahr- zehnte aber hatten das Land so ausgeblutet, daß die Verhaftungen der Jahre 1947 bis 1953 nicht mehr die bisherige Größenordnung erreichten. Ich denke, daß ich mich nicht irre, wenn ich eine Million von Repressionen Betroffene nenne. Eine graue Statistik. Aber wir sollten sie kennen.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau. Unter dem Strich kann man die Gesamtzahl der Opfer des Stalinismus in den Jahren 1941 bis 1946 mit mindestens zehn Millionen angeben. mittlere Spalte Zwischen 1947 und 1953 haben wir etliche weitere Repres- sionsmaßnahmen erleben müssen. Unter ihnen der "Fall Lenin- grad", die Bekämpfung der "Kosmopoliten", und der "Mordärzte". Jede dieser Kampagnen ging mit Festnahmen einher. Auch "üblich" moti- vierte Arreste dauerten an: wegen "antisowjetischer Propaganda" und auf Grund aller Punkte des Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches. Der
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unter ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau.
item 35 Osteuropa ___________________________________________________________________________________ 31 linke Spalte heim. Viele wurden in die Lager von Kolyma, Kasachstan und Norilsk verfrachtet. Unte ihnen auch heldenhafte Verteidiger von Brest, Sewastopol, Odessa, Stalingrad und Moskau.
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Enrichment Mode
Edit your workspace view by using the top-right menu.
You can have the white Activity Panel docked to the right (default) , to the bottom , or as an independent overlay . If you just want to view the image, you can hide the panel using the minimise button , and then re-open it with the pen button. Adjust the size and position of your Activity Panel according to your preferences.
You enrich documents by following a step-by-step process.
Make sure you regularly save your enrichments in each step to avoid the risk of losing your work.

Step 1: Transcription
To start a transcription, select the transcription tab at the top menu of the Activity Panel. Click inside the box underneath the heading TRANSCRIPTION and start writing your transcription. When needed, use the toolbar to format your text and to add special characters and tables. A guide to the transcription toolbar is available in the Formatting section of this tutorial.
Identify the language(s) of the text using the dropdown list under the transcription box. You can select multiple languages at once.
If the item has no text to transcribe, tick the checkbox ‘No Text’.
Once you have finished your transcription, click SAVE.

Step 2: Description
You can add a description to the item underneath the Transcription section.
The first task is to identify what type of document the item is: a handwritten or printed document, a postcard, photo, drawing and/or part of a diary. Tick the category which best applies to the item. Multiple categories can be selected at once.
The second task is to write a description of the contents. Click inside the box underneath the heading DESCRIPTION. Here, you can write what the item is, what it is about, and specify the images and objects that appear in the item.
Identify the language of the description text that you wrote using the dropdown list underneath. You can only select one language.
Once you have finished your description, click SAVE.

Step 3: Location
If you find a location mentioned or recognise a place in the item, you can create a geotag and pin it to the item map. Multiple locations can be attached to the item. To tag locations, select the tagging tab at the top menu of the Activity Panel. Click the plus next to the heading LOCATIONS. Type the location into the search bar and select the result that best applies. A new pin will be placed into the map. The location name should be a clear georeference, e.g. a country, city or address. Make adjustments to the location name if necessary. You can also adjust the position of the pin by dragging it on the map. If you want to add further details to the location, you can write a (short) description. This could include extra information about the geotag (e.g. the building name or a significant event that took place at the location) or the relevance of the place to the item (e.g. the hometown of the author). You can also add a Wikidata reference to link the location to a stable source. Search for the reference using the Wikidata fields. Once you have finished your location tag, click SAVE. You can find the place(s) tagged to the item in grey at the bottom of the Location(s) section.Step 4: Tagging
Below the Locations section is the Tagging section, where you can add the following annotations:
Document Date:Here, you can add dates that correspond to the item. This could include the dates mentioned in the text (e.g. in diary pages), the date of a related historical event (e.g. the end of WWI), or when the item was created (e.g. from a dated signature on an illustration). You can either define this as a single date or as a longer time frame.
To tag dates to the item, write the start and end dates in DD/MM/YYYY format in the fields or select the dates by clicking on the calendar.
If you only have one date to add, insert the same date into both start and end fields.
If you don’t know the exact days, you can also tag the date on the scale of months (MM/YYYY) or years (YYYY).
Once you have finished your date tag, click SAVE DATE.
People:People mentioned as creators or subjects in the item can also be tagged. Depending on the information you might have, you can enter the person’s first and last names, as well as their dates of birth and death. There is also the option to write a short description of the person, explaining who they are or their relevance to the item, e.g. the person’s occupation or their relation to another tagged person.
Multiple people can be tagged to one item.
Once you have finished your person tag, click SAVE.
Keywords:Here, you can freely add keywords related to the topic and content of the item. This could include particular themes (e.g. art, music, war), subjects (e.g. children, cooking, France), or particular historical affiliations (e.g. 20th century, Austro-Hungarian Empire, Fall of the Iron Curtain).
Multiple keywords can be added and they can be written in any language.
Write your keyword tag into the field and click SAVE.
Other Sources:External websites with information about the item’s content can be linked here. This could include links to further data about a person mentioned, a particular historical event or links to digital versions of newspapers that appear in photos or clippings in a notebook.
To add a link, click the plus next to the heading ‘Other Sources’. Enter the URL into the Link field, and write a short description of this link in the Additional Description field.
Multiple links can be tagged to one item.
Once you have finished your tag, click SAVE.
Step 5: Mark for Review
Once you have saved your contribution, the task will automatically change to the Edit status. If you think the task is finished, you can mark it for review. Note that you have to be at Runner level or above to do this (see: Miles and Levels). Click on the yellow circle next to the section heading and select Review in the list that appears. The task now needs to go under Review by another volunteer.Formatting
Review
All enrichments need to be edited and reviewed by more than one volunteer to ensure that they are as accurate as possible.
Only Sprinters and Champions can edit tasks in the Review stage and mark them as Complete. (see: Miles and Levels)
You can review a task (Transcription, Description, Locations, or Tagging) when the circle next to the heading is coloured orange .
During the review process, pay close attention to the following requirements:
-
- Transcription: The complete text in the item has been properly transcribed and the transcription is formatted as accurately as possible. The correct language(s) are selected and the transcription contains no missing or unclear icons.
-
- Description: The description is accurate and detailed (especially items without text to transcribe, e.g. photos), and the appropriate categories have been ticked.
-
- Location(s): All locations have been correctly tagged. The location name is accurate and matches the coordinates and the pin on the map. The description is clear and concise, and the Wikidata reference (if any) is correct.
-
- Tagging: Document dates are completed and as precise as possible. All mentioned people are tagged and their data is correct. All added keywords are applicable to the item, and other sources have accurate information and functioning links.
Completion Statuses
| GREY |
| 1. NOT STARTED |
| Tasks have not been started. |
| YELLOW |
| 2. EDIT MODE |
| Tasks have been started, but not yet finished. Additions and edits can still be made. |
| ORANGE |
| 3. REVIEW |
| Tasks are finished, but need final review by Sprinter or Champion transcribers. |
| GREEN |
| 4. COMPLETED |
| Tasks have been fully completed and reviewed. No further changes need to be made. |
Miles and Levels
Transcribathon is a competitive marathon. You do not enrich documents alone, but compete and work with other volunteers to ensure the quality of your work. When you first create a Transcribathon account, you only have the ability to start and edit tasks. The more you enrich documents, the closer you become to advancing to a higher level, which can unlock abilities like reviewing and completing tasks.| Level | Abilities |
|---|---|
| Trainee | Basic abilities: start and edit tasks |
| Runner | Basic abilities, mark finished tasks for review |
| Sprinter | All Runner abilities, mark reviewed annotations as completed |
| Champion | All Sprinter abilities, mark reviewed transcriptions as completed |
| Tasks | Miles Received |
|---|---|
| Transcription | 1 Mile for every 300 characters transcribed |
| Description | 1 Mile for every 5 Descriptions added |
| Location | 1 Mile for every 5 Locations added |
| Tagging | 1 Mile for every 5 Tags added |
| Reviewing | 1 Mile for every 10 items marked as complete |