Heinrich Müller - ein Feldpostbrief und Dokumente aus vier Kriegsjahren
Im Zuge meiner familiären Recherchen war ich erfreut im Nachlass meines Vaters auch das erste Blatt eines undatierten Briefes meines Großvaters Heinrich Müller zu finden und übersetzen zu können. Gleich bemerkte ich, dass es sein erster Feldpostbrief ist und dass er ihn kurze Zeit nach der Karte vom Vorabend der Mobilmachung (s. gleichnamiger Beitrag) geschrieben hat. Auch dass mein Großvater mit seiner Einheit, dem Kürassierregiment von Seydlitz Nr. 7 (Magdeburgisches), beim Einmarsch in Belgien und bei den allerersten schweren Kämpfen um Lüttich dabei, oder zumindest in der Nähe war, hatte ich nicht gewusst und fand es interessant. Bis ich auf Seite 2 angelangt war. Was ich da las hielt ich zunächst für renommieren eines 20jährigen, der ein Krieger sein wollte. Plündern und brandschatzen durch eine Kavallerieeinheit, in der ein Elitebewusstsein ausgeprägt war? Die detailierte Aufzählung des Beutegutes in ihrer seltsamen Reihenfolge ließ mich aber stutzen. Von Übergriffen auf die belgische Zivilbevölkerung bei Kriegsbeginn hatte ich doch schon gelesen... Noch vor der Wikipedia gab mir dann die Regimentsgeschichte (Das Kürassier-Regiment von Seydlitz (Magdeburgisches) Nr. 7, seine Geschichte von Victor Köhler, 1935) traurige Gewissheit. Ohne Zurückhaltung wird da vom harten Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, von Racheakten bis hin zum Abbrennen ganzer Ortschaften, geschrieben. Auch von standrechtlichen Exekutionen im Wirkungsbereich des Kürassieregiments ist die Rede. Was da im Brief steht, ist wirklich Erlebtes. So also hat der 1. Weltkrieg für Heinrich Müller begonnen. Und zum letzten Satz des Briefes: Dass 30 Jahre später ein nächster, noch schlimmerer Krieg in ihre Heimat verlegt wurde, haben weder meine Urgroßeltern, an die der Brief gerichtet ist, noch mein Großvater erlebt. Heinrich Müller ist Weihnachten 1942, noch nicht 49 Jahre alt, gestorben. Wenn der Feldpostbrief ein Dokument seines Eintrittes in den Krieg ist, so ist der nachfolgend gezeigte Entlassungsschein sein ganz persönliches Dokument des Kriegsendes. Unterschrieben von einem Offizier und einem Vertreter des Soldatenrates. Die Entlassung der 7. Kürassiere erfolgte verhältnismäßig spät, da das Regiment im Raum Iserlohn zurück gehalten wurde. Aus den mehr als vier Jahren zwischen den beiden ersten Dokumenten folgen noch zwei andere Schriftstücke und ein Foto. Es sind die Verleihungsurkunde des Eisernen Kreuzes II. Klasse aus dem Juli 1917 (Vogesenfront bei Angomont ) und ein handschriftlicher Ausweis für eine Dienstfahrt im Juni 1918. Damals befand sich das Regiment zur Ausbildung in Mülhausen im Elsass. Das Foto schließlich zeigt Heinrich Müller in Kürassierstiefeln als zweiten von rechts im Frühjahr 1916 in der Nähe von Vidzy im heutigen Weißrussland (s. auch Beitrag Etappenfotos von Heinrich Müller). Auf dem Schild über der Tür steht Schlafkabinett für steinaltes Militär. Beim Ausbau eines von meinen Großeltern errichteten Stallgebäudes fanden sich im Mauerwerk handschriftliche Aufzeichnungen von Heinrich Müller. Sie enthalten auf den letzten Seiten in Kurzform seine Kriegserinnerungen und bilden den Abschluss diese Beitrages. Die Gräuel aus den ersten Kriegstagen in Belgien kommen darin nicht mehr vor...
CONTRIBUTOR
Bodo A. W. Müller
DATE
1914-08 - 1918-12
LANGUAGE
deu
ITEMS
12
INSTITUTION
Europeana 1914-1918
PROGRESS
METADATA
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Heinrich Müller - Kameradenfotos und ein Quartierbillet
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Mein Großvater Heinrich Müller (29. Januar 1894 - 26. Dezember 1942) war vom 03. Oktober 1913 bis zum 21. Dezember 1918 Kürassier (seit 28. Februar 1917 überzähliger Gefreiter) im Königlich Preußischen Kürassierregiment v. Seydlitz Nr. 7 (Magdeburgisches). Von seinen Kameraden ist wenig überliefert. Allerdings lassen sich einige Fotos zuordnen. Gleich auf dem ersten haben die drei Abgelichteten auf der Rückseite ihre Namen hinterlassen. Es sind Adolf Hesse, Gustav Zimmermann und Alfred Felleke. Der vierte Unterzeichner, E. (Ernst) Kettenbeil aus Quedlinburg, Markt 16, ist leider auf keinem der Bilder zu identifizieren. Alle vier dienten, wie auch Heinrich Müller, zu dieser Zeit in der 1. Eskadron. Das Foto erinnert an den 04. November 1914. Sieht man die ausgelassene Szene mit Schaukelpferd, Mandoline und Fächern, denkt man an Etappenleben weit hinter der Front. Die Regimentsgeschichte (Das Kürassier-Regiment von Seydlitz (Magdeburgisches) Nr. 7, seine Geschichte von Victor Köhler, 1935) gibt aber Auskunft darüber, dass an den Tagen um den 04. November das Kürassierregiment in schwersten Grabenkämpfen im Park von Hollebeke, 20km nordwestlich von Roubaix, lag. Die Kavalleristen waren für diese Gefechtsform weder ausgebildet noch ausgerüstet. Es fehlte an Seitengewehren und Spaten. Die Verluste des Regiments waren hoch. Und dann dieses Bild mit den ausgelassenen Kürassieren... Aufgenommen wurde die Fotografie in der nahegelegenen Stadt Roubaix unmittelbar nach der Ablösung des Kürassierregiments am 13. November. Der Mann auf dem Schaukelpferd ist Gustav Zimmermann (s. auch viertes Kameradenfoto). Er hat den schweren Kürassierpallasch umgeschnallt. Den beiden anderen kann ich die Namen auf der Rückseite nicht zuordnen. Einer von ihnen, Adolf Hesse, wird am 30. November 1916 bei Buteasca so schwer verwundet werden, dass er am 02. Dezember stirbt. Der andere, Alfred Felleke, wird wenige Tage nach der Aufnahme des Fotos, nämlich am 21. November (das Regiment wurde inzwischen nach Nordpolen verlegt) auf den vereisten Straßen mit dem Pferd stürzen und sich ein Bein brechen. Auf dem gleichen Marsch bei einem anderen Unfall quetscht sich Ernst Kettenbeil (vierter Name auf der Rückseite) die linke Hand schwer. Am 14. August 1918 wird Felleke bei Angomont schwer verwundet (Alle Angaben aus der Regimentsgeschichte). Es gibt aus diesen Tagen sogar eine zweite Fotografie. Sie zeigt Heinrich Müller (stehend) und einen unbekannten Kameraden. Wäre nicht die Widmung an meine Urgroßeltern auf der Rückseite, hätte ich meinen Großvater ohne Bart auf diesem Bild nicht erkannt. Es ist ebenfalls in Roubaix, in einem anderen Studio, aufgenommen worden. Das dritte Foto dieses Beitrages zeigt den Unteroffizier Karl Wettstein von der 5. Eskadron des Regiments in der Uniform der Regimentsmusiker. Es entstand wohl vor dem Krieg in Apolda. Die Widmung auf der Rückseite datiert vom 07. Juli 1917. Damals war das Regiment für ein Vierteljahr, von Ende Juni bis Ende September, ganz aus der Front gezogen worden um in Kurland (Region Lettlands) bei Erntearbeiten eingesetzt zu werden. Für den Landwirtssohn Heinrich Müller sicher nicht unwillkommen. Der Stab des Regiments, zu dem er inzwischen versetzt war, lag in dem Gutshaus Alt-Abgulden (heute Apgulde). Dieses Gutshaus nennt auch Wettstein in seiner Widmung. Das Foto des Hauses habe ich der o.g. Regimentsgeschichte entnommen. Eine Renovierung des Gebäudes muss kurz vor 2008 erfolgt sein (Google Earth, Panoramio). Das vierte Kameradenfoto zeigt wieder Heinrich Müller und Gustav Zimmermann. Beide müssen gute Freunde gewesen sein, denn es gibt noch ein gemeinsames Foto in Paradeuniform mit Pallasch aus der Vorkriegszeit. Nach dem Ernteeinsatz in Lettland waren viele Regimentsangehörige zu anderen Einheiten versetzt worden. Nach der Überlieferung durch meinen Vater Heinrich Müller jun., hatte sich Zimmermann freiwillig zur Infanterie gemeldet und trägt auf diesem Bild nicht mehr die Uniform des Kürassierregiments. Übrigens war er am 05. Juni 1915 bei einem Artillerieüberfall bei Kalniszki leicht verwundet worden. Das Ordensband im Knopfloch zeigt, dass beide inzwischen das Eiserne Kreuz II. Klasse trugen. Abschließen soll diesen Beitrag ein Quartierbillet. Es wies einem Offizier und meinem Großvater eine Übernachtung in dem lothringischen Städtchen Saarburg an. Die unausgefüllte Rückseite zeigt, dass die Quartiergeber, Familie Marquardt, ihre Gastfreundschaft am 10. Mai 1917 scheinbar nicht ausüben konnten, da laut Regimentsgeschichte die Einheiten sich nach zweitägiger Bahnfahrt erst am Morgen des 11. Mai in Saarburg sammelten um dann an die Vogesenfront zu marschieren. Die erhoffte Nacht in einem weichen Federbett war wohl verpasst...
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