Etappenfotos von Heinrich Müller
Ich habe die folgenden vier Postkarten Etappenfotos genannt, weil sie in ihrer scheinbaren Friedlichkeit und Harmlosigkeit nur in der Etappe, dem Hinterland der Front, entstanden sein können. Auf allen Karten ist mein Großvater Heinrich Müller, Kürassier im Königlich Preussischen Kürassierregiment Nr. 7 von Seydlitz (Magdeburgisches), dabei. Zwei der Karten hat er per Feldpost an seine Eltern, meine Urgroßeltern, geschickt. Das erste Foto entstand im Winter 1915/1916 an der Meschkelefront nördlich von Vidzy im heutigen Weißrussland. Die Gruppe der Soldaten wirkt nicht sehr kriegerisch und dieser Eindruck täuscht darüber hinweg, dass allein vor der Front des Kürassierregiments am 26. März 1916, einen Tag nachdem die Karte geschrieben wurde, ca. tausend gefallene russische Soldaten lagen. Das Regiment selbst hatte 14 Tote und 25 Verwundete verloren (Alle Angaben aus Das Kürassier-Regiment von Seydlitz (Magdeburgisches) Nr. 7, seine Geschichte von Victor Köhler, 1935). Heinrich Müller sitzt in der vorderen Reihe ganz rechts. Er trägt seine übers Knie reichenden Kürassierstiefel, Kanonenstiefel genannt, und Reitersporen (Anschnallsporen). Diese Sporen sind erhalten geblieben und auf dem Foto nach der ersten Karte und ihrer Übersetzung zu sehen. Da mein Großvater 1915 aus der 1. Eskadron in den Stab versetzt wurde, dürfte er an den Kämpfen nicht direkt beteiligt gewesen sein. Der Soldat, der den Arm um seine Schulter gelegt hat ist ein Husar. Die 1. und die 2. Leibhusaren sowie das Husarenregiment Nr. 12 lagen benachbart, bzw. gehörten mit zur II. Kavallerie-Division. Die drei folgenden Karten müssen im Herbst 1917 an der Vogesenfront entstanden sein. Das Regiment hatte inzwischen keine Pferde mehr und wurde im Stellungskrieg an der Westfront infanteristisch eingesetzt. Hauptsächlich bei Patrouillen. Zwischen dem 02. und dem 17. Oktober wurden die Kürassiere aus der Front gezogen und lagen zur Erholung in Val-et-Châtillon. Die zum Teil ausgelassene und derbe Fröhlichkeit, die auf den Fotos zu sehen ist, lässt nicht nur auf ausgiebigen Alkoholkonsum, sondern auch auf Lebenshunger im Grauen des Stellungskrieges schließen. Auf der ersten Karte sitzt Heinrich Müller mit Trommelstöcken und einer großen Blechdose in der Mitte. Diese Karte hat er am 12. Dezember seiner Mutter geschrieben, die am 16. Dezember ihren 59. Geburtstag feierte. Da lag das Regiment längst wieder im Stellungskampf. Verwunderlich ist, dass mein Großvater in der Adresse Frau Andreas Müller schreibt. Eine seinerzeit noch übliche Form der Adressierung? Auf dem folgenden Bild sitzt er mit einer Papierblume auf der Brust und einem Glas in der Hand hinter dem Mann mit dem Gewehr. Das letzte Bild zeigt ihn als Tänzer (links mit Stahlhelm) mit der Hand auf der Brust seiner Partnerin. Auf allen drei Fotos trägt er seinen Kürassier-Waffenrock, der keine Knöpfe auf der Brust hatte, sondern mit Haken und Ösen geschlossen wurde. Irgendwann zwischen der Karte aus Russland und den Karten aus Frankreich war mein Großvater zum Gefreiten befördert worden. Daher auch die Änderung auf seinem Militärpass (s. letztes Foto).
CONTRIBUTOR
Bodo A. W. Müller
DATE
1916 -1917 - 1917-12-12
LANGUAGE
deu
ITEMS
8
INSTITUTION
Europeana 1914-1918
PROGRESS
METADATA
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