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Kriegserinnerungen der Lazarettschwester Marie Delius | geb. Schiele

Lebenserinnerungen meiner Großmutter, der Lazarettschwester Marie Delius, geb. Schiele: Foto von Marie Delius, Tagebuch über die Kriegszeit, Abschrift des Tagebuchs, Fotos von ihrem Sohn Eberhard Adolf Delius, Brief von Eberhard an seine Mutter Marie, Patent über die Qualifikation von Marie Delius als dienende Schwester des Johanniter-Ordens, Marschbefehl vom 17. Juni 1915 für Marie Delius von Neu Sandec nach Berlin, Entlausungsschein vom 18. Juni 1915, Passierschein vom 6. Februar 1915 für die Erlaubnis zum Verlassen der Stadt Lille zu jeder Zeit; Ausweis von Marie Delius des Arbeiter- und Soldatenrats für die Erlaubnis, Patienten nach 23:30 Uhr in Empfang nehmen zu dürfen (15. November 1918).
Die Johanniter-Schwester Marie Delius, geb. Schiele, war nach Kriegsausbruch in einem Lazarett an der Westfront in Lille und anschließend 1915 in Galizien (Neu Sandec) als Kriegsschwester im Einsatz. Sie hielt ihre Erlebnisse in den Kriegsjahren 1914 und 1915 in einem Tagebuch fest und schrieb zusätzlich nach Ende des Krieges ihre Kriegserinnerungen auf. Ihr Tagebuch beginnt mit dem 12. Oktober 1914, an dem ihr Mann Eberhard in Bielefeld beerdigt wurde. Nach ihrer Rückkehr nach Hause, findet sie die telegrafische Einberufung nach Berlin vor. Zwei Stunden später erfolgt bereits die Abreise über Paderborn nach Berlin. Kurz nach ihrer Ankunft, soll sie zusammen mit 15 anderen Schwestern weiter nach Chabris in ein Garnison-Lazarett verlegt werden. Dies wird aber kurzfristig abgesagt und sie verweilt noch weitere zwei Tage in Bethanien (Berlin-Kreuzberg), ehe sie am 16. Oktober ins Etappengebiet fährt. Am 18. Oktober erreicht sie Brüssel, darf jedoch die Stadt nicht betreten. Sie erreicht schließlich Cambrai, das Eisenbahnknotenpunkt und Etappenstation ist. Von dort schildert sie ihre ersten Eindrücke vom Krieg: ... die Leichtkranken steigen gleich in den Eisenbahnzug, die Schwerkranken kommen in Lazarette. Hier soll ein großes Lazarett sein, nur mit franz. Personal. Die kranken Franzosen haben alles, unsere Deutschen liegen ohne Bettwäsche, noch in den Blut harten Hemden. Es ist empörend. Heute sind deutsche Schwestern gekommen, nun wird es wohl besser werden. ... Gestern haben die Verwundeten ein herrliches Mittagsbrot bekommen, sämtliche Brieftauben von Cambrai und Umgebung. Sie sollen aber recht zäh gewesen sein. ...\n In einem Gespräch mit einem Feldgeistlichen bemerkt sie seine geringe Wertschätzung für das an ihn verliehene Eiserne Kreuz: Man scheint es wenig zu schätzen.\n Nach einigen Tagen in Cambrai, wird Marie Delius Ende Oktober in das Garnisonlazarett von Lille beordert. Sie berichtet von der Autofahrt und den zerschossenen Dörfern und Städten, an denen sie vorbei fährt. In Lille sind die hygienischen Verhältnisse katastrophal: Jeden Anspruch an Ordnung und Reinlichkeit muß man fahren lassen, um es nur auszuhalten. Marie Delius berichtet von den Zuständen der Verwundeten: In den Sälen viel Elend. Es sind fast nur Schwerverwundete, die z.T. entsetzlich leiden müssen. Viele sterben. Die Engländer wären so entsetzlich zähe, es sei sehr schwer, gegen sie zu kämpfen. Sie behandelte während ihrer Zeit in Lille vor allem Typhuskranke. Unter dem Eindruck dieser Erlebnisse, äußert sie die Hoffnung auf Frieden: Unsere Verluste sind entsetzlich, und man kann nur immer bitten, daß der Krieg bald zuende geht.\n In ihren Briefen schildert sie ihren Verwandten und Freunden ebenfalls den Alltag im Lazarett bzw. auf der Krankenstation und beklagt sich u.a., dass die Verständigung mit den Kranken äußerst schwierig sei, da diese unterschiedlicher Nationalitäten angehörten. Doch nicht nur die harte Arbeit im Lazarett beschreibt sie, sondern auch das Alltagsleben in Lille: Alles Mehl kommt aus Deutschland! Vor der Kohlenheizung standen die armen Leute von Lille und klauten aus den Ascheabfällen noch Kohle heraus. Es mag schon manches bittere Elend hier geben. Doch es gibt auch Ereignisse, die sie aufs Äußerste missbilligt: Man sieht dort an einigen Stellen in eine ganz schmale, schmutzige Straße, das Dirnenviertel. ... massenweise gingen die Soldaten entweder vorbei oder hinein in die Häuser. Es ist zum Weinen, zum Wüten, wie ist sowas möglich! Wie können sich Männer, unsere deutsche Soldaten so erniedrigen! .... Ende April 1915 kommt der Befehl, dass ihr Trupp Lille zu verlassen habe und sie wird der Kriegslazarettabteilung 2 des 7. Armeekorps angegliedert. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie noch nicht, wohin sie gebracht wird. Am 2. Mai 1915 trifft sie letztendlich in Neu Sandec (Galizien) ein. Das Lazarett wird in einer polnischen Schule eingerichtet und nachdem anfangs noch viel zu tun ist, flaut der Nachschub an Kranken und Verwundeten ab. Marie Delius findet sogar die Zeit, einen Ausflug in die Karpaten zu machen. Der Sommer 1915 ist sehr heiß und es grassieren viele Seuchen innerhalb der Militärs, wie sie anmerkt. Ende Juni 1915 nimmt sie Abschied von ihrem Trupp und muss nach Bad Lippspringe zurück kehren, da ihre Hilfe dort wegen der vielen Arbeit benötigt wird. Sie arbeitet noch weitere neun Monate im Lazarett des Kinderheims und später aushilfsweise einige Wochen im Johanniter-Krankenhaus in Jüterbog. Damit endet ihre Tätigkeit als Kriegsschwester. Die übrige Kriegszeit verbringt sie in ihrer alten Anstellung in dem von ihr bereits im Jahr 1906 gegründeten Kinderheim in Bad Lippspringe und widmet sich der Behandlung insbesondere tuberkulosekranker Patienten. 1917 werden ihr für die Arbeit im Kinderheim französische Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt, von denen einer Maler ist und ihr ein Bild malte, das aber nicht mehr erhalten ist. Marie Delius wurde mit der Rote-Kreuz-Medaille III. Klasse und der Lippischen Verdienst-Medaille (Kriegsehren-Medaille am weißen Band) ausgezeichnet.

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Friedrich Delius

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deu

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44

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Europeana 1914-1918

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1918-11-15

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Europeana 1914-1918

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1914-10-12

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1918-11-15

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