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Flucht aus russischer Kriegsgefangenschaft

Hans Walter von Hoffmeister (geb. 11. Februar 1890 in Einbeck, gest. 5. Dezember 1916 beim Dorf Mungtee nahe Tazolin im Tsetsen Khanat der äußeren Mongolei) war Justizreferendar und Attache im Auswärtigen Amt. Als Einjährig-Freiwilliger wurde er bis zum Leutnant der Reserve befördert als der Erste Weltkrieg ausbrach. Er wurde namhaft durch seine mehrmaligen Ausbrüche aus russischer Kriegsgefangenschaft. Bei der Geburt von Hans war sein Vater Eduard als Hauptmann und Kompaniechef in Einbeck stationiert. Dieser Eduard befand sich während des Boxeraufstandes 1900/01 in China und wurde danach wegen militärischer Verdienste in den erblichen Adelsstand erhoben. Den Ersten Weltkrieg verbrachte er als Generalleutnant an der Festung Metz und nach 1917 im Norden der Ostfront. Hans von Hoffmeister besuchte Gymnasien im Elsass bedingt durch die Stationierung seines Vaters, weiterhin in Baden- Baden, Karlsruhe und Heidelberg und bestand daselbst 1907 das Abitur. 1908 trat er als Einjährig-Freiwilliger in das 1. Badische Leib-Dragoner-Regiment Nr. 20 in Karlsruhe ein. Im Hinblick auf seine spätere Berufswahl als Diplomat studierte von Hoffmeister Rechtswissenschaften an den Universitäten von Göttingen, Straßburg und Bonn. In Köln legte er das Referendarexamen ab. Ab Dezember 1911 wirkte er in dieser Position am Amtsgericht Münder/Deister. Daraufhin bewarb er sich beim Auswärtigen Amt. Im gleichen Jahr wurde er auch zum Leutnant d.R. befördert. Die Vorprüfung für den diplomatischen Dienst bestand er im Juni 1913. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges endete diese vielversprechende Laufbahn abrupt. Im Sommer 1914 machte Leutnant d. R. vonHoffmeister gerade seine erste Übung als Reserveoffizier beim Regiment. Er begab sich bei Ausbruch des Krieges zum Reserve-Dragoner-Regiment 8. Dabei ritt er nach der Aussage der Autoren Ernest und Regenauer verwegene Patrouillen und erwarb sich rasch das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Als im November 1914 endgültig an Stelle des Bewegungskrieges der Schützengraben getreten war, meldete sich von Hoffmeister an die Ostfront. Er kam direkt in die Schlacht um Lodz. Dort avancierte er schnell zum Ordonnanzoffizier in der 41. Infanterie-Division des XX. Armeekorps. Wegen seiner Kenntnisse der russischen Sprache wurde er vorwiegend als Dolmetscher eingesetzt und forderte hierbei den Feind bei der Verfolgung zur Übergabe auf. Während heftiger Kämpfe meldete sich von Hoffmeister am 20.11.1914 freiwillig als Führer eines Stoßtrupps bei Strykow nahe Lodz. Der Vormarsch geriet ins stocken, man kam gegen ein Waldstück in der Front nicht vorwärts und wollte den Russen in den Rücken fallen, so war der Plan. Hans marschierte in die Nähe der russischen Stellung mit zwei Pionieren als linke Seitenpatrouille. Es war unbestritten und absehbar ein hochriskantes Unternehmen. In den Hintergedanken von Hans von Hoffmeister spielte natürlich auch der Wunsch nach dem Eisernen Kreuz 1. Klasse eine nicht unbedeutende Rolle. Die Aktion endete im Fiasko. Die Gruppe wurde im Wald unvermutet angegriffen und auseinander gesprengt, dabei geriet der Leutnant von Hoffmeister unmittelbar in russische Kriegsgefangenschaft. Die Angehörigen verlebten eine Zeit der Ungewissheit zwischen Hoffen und Bangen. Sein Vater hatte als General einigen Einfluss und setzte alle Hebel in Bewegung um Informationen über seinen Sohn zu bekommen. Er kontaktierte die Auskunftsstelle für Gefangene in der Dorotheenstraße in Berlin, ebenso mehrmals die Kommandoebene der 41. Infanterie-Division. Auch das amerikanische Konsulat wurde um Auskunft gebeten. Die noch neutralen Vereinigten Staaten spielten oftmals eine Vermittlerrolle zwischen den Krieg führenden Parteien. Am 27. Dezember 1914 trudelte endlich die erste Karte von Hans mit der Nachricht über seine Gefangennahme durch die Russen ein und zwar aus dem Lager Jekaterinburg, welches zur erheblichen Erleichterung der Angehörigen merklich beitrug. Zuvor war er kurzfristig in Tschita inhaftiert gewesen. von Hoffmeister konnte die Gefangenschaft nicht ertragen. Ständig sann er über Möglichkeiten nach wie man eine erfolgreiche Flucht bewerkstelligen könne. Im Lager traf er einen weiteren fluchtwilligen Offizier, den Rittmeister (Hauptmann) im Husaren-Regiment König Humbert Nr. 13 Max Graeff. Nun konnten sie gemeinsam planen. Als deutsche Offiziere sahen sie es als ihre soldatische Pflicht an, der Gefangenschaft zu entkommen und wieder zu ihren kämpfenden Einheiten zurückzukehren. Zudem gab es in der deutschen Bevölkerung Auffassungen welche eine Kriegsgefangenschaft als eine Art „Drückebergertum“ betrachtete. Dieses Attribut konnte sich Hans von Hoffmeister als künftiger Diplomat kaum leisten. Verlegt in das Gefangenenlager Irkutsk, wagten beide im Mai 1915 einen Ausbruch, der jedoch schnell aufgedeckt wurde, sie fielen in der Nähe von Tschita in die Hände der Russen. Die böse Folge waren verschärfte Haftbedingungen. Aus dieser ersten Flucht sammelten sie wertvolle Erfahrungen und nutzten diese weiterhin unbeirrt für einen erneuten Ausbruch im Frühsommer 1915. Mit aller Sorgfalt wurde dieser geplant und zunächst auch erfolgreich durchgezogen. Der Oberarzt d. R. Rudolf Mohr aus dem Lager Dauria konnte einige Details darüber von Graeff und von Hoffmeister in Erfahrung bringen. Während einer Badbenutzung nutzten beide einen unbewachten Augenblick um aus dem Fenster zu klettern. Sie hielten sich danach längere Zeit in der Stadt auf um die Lage ausreichend zu sondieren. Nach einigen Wochen hielten sie die Zeit für reif und fuhren mit der sibirischen Bahn in die Nähe der chinesischen Grenze. Sie stiegen kurz davor aus den Zug um die Passkontrolle zu umgehen, wurden dann aber an der grünen Grenze gefasst weil sie beim Verlassen der Bahn bemerkt wurden. Sie waren dabei etwa 60 km von der Station Mandschuria entfernt. Dauria, gelegen an der sibirischen Eisenbahn, war dabei das am nächsten gelegene Leger, dort wurden die beiden dann für kurze Zeit eingeliefert. Die Ergreifung von geflüchteten deutschen Offizieren hatte bei den zuständigen Militärbehörden höchste Priorität, wenn schon deren Flucht nicht verhindert werden konnte. Offiziere waren Entscheidungsträger im Krieg, deshalb wurden alle Mittel und Wege in Bewegung gesetzt, dass weder eine Flucht gelang oder sie möglich rasch wieder gefasst wurden. Den Lagerkommandanten war auch durchaus bewusst, dass sie bei Nachlässigkeiten in der Bewachung eine Bestrafung zu erwarten hatten. Nach den Worten des Oberarztes befanden sich zu der Zeit 16 deutsche Offiziere als Gefangene im Lager Dauria. Der Kommandant wird „als feiner, liebenswürdiger Russe“ beschrieben, der vor dem Krieg in Berlin studiert hatte und gut Deutsch sprach. Die Einzelzellen hatten die Maße von 4.5m x 1.5m. Die Ausstattung bestand aus einer Holzpritsche, einem Holzschemel und einem Waschbecken. Es befand sich darin ein kleines Fenster in 2m Höhe in der Größe von 1.0m x 0.45m und bot daher keinen Ausblick. Weil von Hoffmeister an einem vermeintlichen Magenkatarrh litt durfte der Oberarzt ihn besuchen. Das Leiden war nicht von Bedeutung. Hans und seinem Mitgefangenen ging es in erster Linie um Kontaktaufname mit deutschen Landsleuten. Diese wiederum waren an Neuigkeiten über die Fluchtabenteuer der beiden interessiert. Mohr beschreibt seine Eindrücke beim Besuch von Hoffmeisters in dessen Einzelhaft: „Ich fand in der Zelle den schlanken mit einem Civilanzug aus verschiedenen Mustern bekleideten Leutnant von Hoffmeister. Sein langer, dunkler, struppiger Vollbart gab ihm zu der zusammengesetzten Kleidung ein reichlich romantisches Aussehen.“ Als weitere Vergünstigungen für die Gefangenen konnte der Oberarzt noch erreichen, dass das Tabakverbot aufgehoben wurde. Außerdem wurde ein täglicher Ausgang an die frische Luft von einer Stunde gewährt. Die größte Freude löste jedoch die Genehmigung aus, dass Graeff und von Hoffmeister künftig zusammen in einer großen Zelle hausen durften. Idealer konnte es für die beiden nicht kommen, die Großmütigkeit des Kommandanten wurde entsprechend hoch eingeschätzt. Der Fluchtwille der beiden war unterdessen ungebrochen. Dies sagten sie auch dem russischen Kommandanten unverhohlen ins Gesicht als dieser sie fragte, ob sie nochmals ausrücken wollten. Die Antwort erfolgte spontan: „Sofort bei der nächsten Gelegenheit.“ Der Lagerchef wurde von einem Ausbruchsversuch oder gelungener Flucht der beiden indessen verschont, dies hätte für ihn unweigerlich eine Bestrafung der Militärbehörden nach sich gezogen. Die beiden deutschen Offiziere mussten schon kurz darauf das Lager Dauria verlassen in Richtung Irkutsk. Offenbar wurden die Haftbedingungen für die beiden im Lager Dauria als zu lasch angesehen. Jedenfalls wurde in Folge die Haftbedingungen in Irkutsk verschärft. Das ist auch der Grund warum monatelang kein Lebenszeichen von Hans zu Hause eintraf. In diesem Straflager trafen die beiden Kameraden auf einen weiteren Fluchtwilligen, den Oberleutnant im Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 13 Ludwig von Werner. Künftig agierte der Dreierbund jetzt als verschworene Schicksalsgemeinschaft. Die Kameraden, die sich gesucht und gefunden hatten trachteten nun gemeinsam der Gefangenschaft zu entfliehen um wieder nach Deutschland zu ihren angestammten Einheiten zu kommen. Dies war die Zeit für einen weiteren Ausbruch. Für Graeff und von Hoffmeister schon der dritte Versuch. Aber auch dieser war zum Scheitern verurteilt. Mitte November 1915 berichtete sein Bruder Fritz, ebenfalls Offizier, von der dritten Flucht gehört zu haben. Eine Nachricht unter dem Datum vom 5. Januar 1916 überbrachte die deutsche Schwester Margarete von Walsleben, welche die Gefangenenlager vom Ural bis Sibirien besucht hatte. Sie hatte Hans getroffen und mit ihm gesprochen, er sei bei guter Gesundheit zugleich aber „aller Bequemlichkeiten“ beraubt, welches unbestritten den verunglückten Fluchtversuchen zu verdanken war. Im einer Mitteilung von Mitte Januar 1916 an die Angehörigen, jede Nachricht, die verschickt wurde unterlag einer strengen Zensur, erfand Hans eine eindrucksvolle Methode der Verschlüsselung. Diese passierte auch ungehindert die Lagerverwaltung. Er wählte eine doppelsinnige Parabel um seine Situation zu schildern. Hans erzählte die Geschichte des Barons Trenck, welcher die Schwester des preußischen Königs Friedrich II. liebte und deshalb in die Festung Küstrin gesperrt wurde, woraus der Baron dreimal flüchtete. von Hoffmeister wählte diese Geschichte als Verklausulierung um auf seine Situation hinzuweisen: Baron Trenck flüchtete dreimal und wohnt jetzt in Berlin in der Friedrichstraße II. schrieb Hans. Es gibt in Berlin keine Friedrichstraße II. stellte sein Vater umgehend fest. Der Vater von Hans verstand diese konstruierte Verschleierung und war begeistert, dass es seinem Sohn den Verhältnissen leidlich gut erging. Er schrieb an seine Frau: „Also er lebt u. zwar jetzt in Irkutsk, das ist außer allen Zweifel, hat 3 x versucht zu entwischen und ist 3 x gefaßt worden. Gott sei Lob u. Dank.“ Die Familie war erleichtert. Von Mai bis September 1915 fanden damit immerhin drei Fluchtversuche aus russischer Kriegsgefangenschaft statt. Alle drei ohne Erfolg. Berüchtigt waren die Haftbedingungen in Irkutsk, besonders für gefasste Flüchtlinge. Chancen für einem erneuten Ausbruch bestanden nicht. Im März 1916 traf noch ein Lebenszeichen von Hans ein. Sein Vater Eduard, der ein ausgesprochen herzliches Verhältnis zum großherzoglichen Haus von Baden hatte, teilte mit, dass er am 14.3.1916 ein Telegramm vom Großherzog erhalten hätte. Der Vetter des Monarchen hatte in Erfahrung gebracht, dass der Leutnant von Hoffmeister in der Baracke 28 des Lagers Irkutsk in Einzelhaft verbringe. Dazu meinte sein Vater: „Das ist gewiß sehr schwer, besonders für Hans, es ist aber die Folge seines mißlungenen Fluchtversuchs und hätte bei uns wohl zu einer ähnlichen Maßregel geführt.“ Auf monarchischer Ebene waren derart austauschende Informationen möglich trotz mörderischem Kriegsverlauf, die Urgroßmutter von Zar Nikolaus war eine geborene Prinzessin Wilhelmine von Baden. Die eingelaufene Information vom großherzoglichen Haus bestätigte zusätzlich die erschwerten Haftbedingungen und Repressalien, diese hielten bis beinahe Jahresende bis es zu einer Ortsveränderung kam. Nach Verbüßung der Bestrafung zu Einzelhaft in Irkutsk wurden die drei Offiziere am 7.10.1916 in das einsame Lager Troizkosawk in Transbaikalien, nahe der mongolische Grenze verlegt. Die Energie und Willenskraft von Hans und seinen Mitstreitern gegen die Lagerhaft erlahmte keineswegs. Das Gegenteil war der Fall, sogleich wurden wieder Pläne für einen Ausbruch geschmiedet. Am 8.November 1916, also schon nach vier Wochen Aufenthalt, gelang allen drei ein spektakuläres und erfolgreiches Entkommen aus dem Lager Troizkosawk. Für von Hoffmeister war es bereits der unglaubliche vierte Versuch. In äußerst strapaziösen täglichen Etappen von 20 km und mehr marschierten sie in Eiseskälte durch den menschenfeindlichen sibirischen und mongolischen Winter. Zwischenzeitlich konnten sie auch einfache Verkehrsmittel der einheimischen Bevölkerung nutzen. Die Leute standen ihnen wohlwollend gegenüber, die ständige Einmischung aus dem Nachbarland erzeugte gegenüber den Russen keine sonderliche Sympathie. Im Gegenteil, es gab spezielle chinesische Organisationen zur Fluchthilfe, auch mit Depots in russischen Städten, um deutschen Soldaten nach dem Ausbrechen aus Lagern zum Entkommen vor den Russen zu verhelfen. Der Dreierbund hatte bereits an die 300 km im eisigen Winter zurückgelegt und gelangte endlich nach vier Wochen in der Nähe von Urga (alter Name für Ulan Bator) an. Große Erleichterung bei allen drei, der gefährlichste Teil der „Reise“ schien überstanden zu sein. Die kleine Gruppe hoffte nun durch die Wüste Gobi bis nach Peking zu kommen. Dazu schloss sich ihnen eine chinesische Eskorte an. Doch ungeachtet dieses Schutzes wurden sie dabei am 5. Dezember 1916 von nachfolgenden Kosaken eingeholt, gefasst und auf der Stelle erschossen. Nach zweijähriger Kriegsgefangenschaft in Russland und nach drei gescheiterten Fluchtversuchen war der vierte Ausbruch endlich erfolgreich und Hans gelangte mit seinen Kameraden in ein neutrales Land. Endlich geschafft, dachten die drei übereinstimmend. Doch welch ein gnadenloses und unheilvolles Schicksal erwartete sie. Flucht gelungen und dann doch wieder nicht, grausam und voller Unbarmherzigkeit. Diese Tat stellte sich als ein eindeutiger Bruch des Völkerrechts dar. Die äußere Mongolei war staatsrechtlich chinesisches Territorium. Der chinesische Resident legte sogleich scharfen Protest beim russischen Konsul ein. Das kümmerte den allerdings nicht sonderlich. Er ließ antworten, dass der Chinese sich um Angelegenheiten der äußeren Mongolei zu kümmern habe, deutsche Kriegsgefangene gingen ihn nichts an. Der deutsche Gesandte in Peking schloss sich umgehend mit einer scharfen Protestnote an. Dazu ist anzumerken, dass Russland dieses Gebiet als seine ureigene Einflusssphäre betrachtete und sich daher allerhand anmaßte. Dazu gehörte wohl auch die Verfolgung von geflüchteten deutschen Kriegsgefangenen auf diesem Gebiet Die Nachricht über dieses Ereignis fand schnell den Weg zum Deutschen Reich und löste in der Presse ein durchwegs empörtes Echo aus, immer mit dem Hinweis auf das Völkerrecht, aufgrund der Verletzung der territorialen Integrität eines neutralen Staates. Die Vorgehensweise der Russen wurde auch mit der berüchtigten Baralong-Affäre verglichen und noch als schwerwiegender angesehen. Es handelte sich dabei um eine Episode vom August 1915 bei der englische Matrosen auf hilflos im Wasser treibende deutsche U-Boot-Männer feuerten. Die Zeitungen im Deutschen Reich berichteten übereinstimmend mit empörter Wortwahl über diesen tragischen Vorfall, immer verbunden mit dem Hinweis auf das Völkerrecht. Das SPD-Organ „Der Volksfreund“ vom 5.1.1917, Tageszeitung für Baden, benennt die Tat sehr artikuliert: „ Die widerrechtliche Erschießung der drei entkommenen Offiziere stellt nicht nur einen schweren Völkerrechtsbruch dar, sondern bedeutet auch eine krasse Verletzung der chinesischen Neutralität.“ Eine Erklärung für das brutale Vorgehen Russlands lässt sich nicht einfach finden. Ein Grund dafür mag die desaströse Lage im gleichen Jahr gewesen sein. Im Frühjahr 1916 wurde die Schlacht am Naratschsee verloren, dazu kam im Land eine extrem schlechte Versorgungssituation und zunehmende Kriegsmüdigkeit sowie andauernde bolschewistische Agitationen. Eine spektakuläre und zudem noch erfolgreiche Flucht deutscher Offiziere konnte nicht dem Image eines noch vermeintlich starken Russlands weder nach innen noch nach außen dienen. Außerdem wollte man dem Deutschen Reich keine propagandistische Vorlage mit eindrucksvoll entkommenen Deutschen aus russischer Kriegsgefangenschaft liefern. Die russischen Militärbehörden betrieben für die Ergreifung der drei geflüchteten Offiziere einen beträchtlichen organisatorischen und logistischen Aufwand über eine lange Strecke, dabei machten sie sich bei der mongolischen Bevölkerung nicht gerade beliebt. Die Notwendigkeit mit allen Mitteln die entflohenen Offiziere zu ergreifen führte dabei die Oberhand, auch politisch. Am 26.12.1916 ging ein Telegramm beim Auswärtigen Amt ein. Damit wurde die chinesische Mitteilung über den unheilvollen Vorfall an die amerikanische Regierung weitergeleitet. Das Telegramm bestätigte den Tod der drei Offiziere. Die USA nahmen bei der Gelegenheit wieder ihre Vermittlerrolle wahr. Das Auswärtige Amt wertete noch alle Fakten aus und benachrichtigte dann den Vater von Hans. Unter dem Datum vom 1. Januar 1917 ging das Schreiben ab und hatte unter anderem folgenden Wortlau: „Es besteht kein Zweifel, daß der nach telegraphischer Meldung aus Peking von russischen Soldaten in der Mongolei erschossene Leutnant d.R. des Badischen Dragoner-Rgts. No 20 Hans von Hoffmeister, der Sohn Euerer Exc.ist, der wenige Wochen vor Kriegsbeginn die diplomatische Vorprüfung bestand, demnächst ins Feld rückte unf später in russische Kriegsgefangenschaft geriet.“ Auf den Punkt gebracht war die politische und öffentliche Meinung der Auffassung, dass der russische Generalkonsul mit der frechen und brüsken Zurückweisung der Protestnoten des chinesischen Residenten und des deutschen Gesandten in Peking auch formell die Verantwortung für ein Verbrechen übernommen hat, dessen Ablauf eindeutig war. In der Mongolei haben Soldaten einer fremden Regierung, nämlich Rußlands, deutsche Offiziere ermordet und ein hoher russischer Beamter hat diesen Mord noch gutgeheißen. Aber nicht nur in Deutschland gab es ein Presseecho, auch in der noch neutralen USA fand der Vorfall einen publizistischen Niederschlag. Auffällig ist jedoch, dass jeweils nur die puren Fakten dargestellt wurden, ein Hinweis auf irgendwelches Völkerrecht fehlt aber. Möglicherweise sollte die strikt ausgeübte Neutralität nicht verletzt werden oder sie wollten dem Deutschen Reich keinen Bonus zugestehen, auch im Hinblick auf den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten im April 1917. Eine Ausnahme bildet jedoch das Cincinattier Volksblatt vom 22. Dezember 1916. Eine deutschsprachige Zeitung. Diese stellt in sehr ausdrücklicher Weise den Vorgang als Mord dar und verweist explizit auf den begangenen Bruch des Völkerrechts. Nach dem Kriegseintritt der USA im April 1917 wurde alles Deutschtum auf dem Boden der Vereinigten Staaten verfemt und der Bericht im Volksblatt erschien daraufhin ohne jegliche Bedeutung. Im amtlichen deutschen Heeresbericht vom 29.12. 1916 wurden die drei ermordeten deutschen Offiziere namentlich genannt unter der Überschrift: Ein Völkerrechtsbruch Rußlands. Der deutsche Generalkonsul in Tientsin/China konnte noch einen Augenzeugen des verhängnisvollen Vorfalls ausfindig machen, welcher die Ermordung nochmals bestätigte und mit Details aufwarten konnte. Danach geschah die Tat am 5. Dezember 1916 um 14.00 Uhr beim Dorf Mungtee nahe der Telegrafenstation Tazlin im Tsetsen Khanat der äußeren Mongolei. Damit waren auch die allerletzten Zweifel am Tod beseitigt. Die Nachricht über die Tötung der drei Offiziere verbreitete sich in den russischen Gefangenenlagern, so wurde schon Anfang Dezember unter den deutschen Offizieren im Lager Krasnojarsk bekannt, dass drei deutsche Offiziere auf chinesischem Gebiet erschossen wurden. Einige Zeit später gelangte eine Ausgabe der „China Post“ von Anfang Dezember 1916 in das Lager Dauria worüber auch die Tat berichtet wurde. Die Meldung löste tiefe Betroffenheit aus, besonders beim Oberarzt Mohr, aber auch bei den übrigen Offizieren. Alle konnten sich noch in angenehmster Weise an den Hauptmann Max Graeff und den Leutnant Hans von Hoffmeister erinnern, hatten sie doch für die beiden einige Vergünstigungen und Hafterleichterungen beim Lagerkommandanten durchsetzen können. Die Mutter von Hans dokumentierte in einem kleinen Notizbuch noch einige Fakten, welche nach der Mordtat noch auftraten. Das Begräbnis der drei im Schicksal verbundenen Offiziere fand am 11.12. 1916 auf dem russisch-orthodoxen Friedhof in Urga statt. Dies war die einzig vorhandene christliche Ruhestätte in der ansonsten buddhistischen Mongolei. Nach intensivem Bemühen der deutschen und österreichisch-ungarischen Offiziere des Lagers Troizkosawk aus dem die drei entflohen waren, konnte bei den russischen Militärbehörden erreicht werden, dass eine Umbettung auf den Lagerfriedhof erfolgt. Erstaunlicherweise wurde die Initiative ohne größere Problematik genehmigt. Vermutlich hat die Presseresonanz nach der Tötung der Geflüchteten zu dieser einlenkenden Reaktion geführt. Am 8.3.1917 wurde das Begräbnis dann in würdevoller und feierlicher Weise unter dem Gesang der versammelten deutschen und österreichisch-ungarischen Offiziere durchgeführt. Ein österreichischer Feldgeistlicher nam die Einsegnung vor. Die drei Freunde liegen in einem Grab vereint auf einem Hügel, der von Kieferwald umgeben ist. Hans ruht in der Mitte. Am 5.12.1917, dem Todestag von Hans von Hoffmeister schickte Elsa Brandström, bekannt als der Engel von Sibirien, an die Mutter von Hans ein Kieferzweigchen vom Grab sowie die Kranzschleife der in Gefangenschaft verbliebenen Offizierskameraden. Im Geschichtsbuch über die badischen Leibdragoner heißt es im Schlusswort: „ Die Sehnsucht nach der Heimat, der eiserne Wille seine Soldatenpflicht zu erfüllen waren stärker als die niederdrückende Einsamkeit Sibiriens. Seine Sehnsucht und alle seine Bemühungen wieder für sein Vaterland kämpfen zu können, musste er auf tragische Weise mit dem Leben bezahlen.“ An Hans erinnert außer der Familie noch das beeindruckende Denkmal für die badischen Leibdragoner bei der Christuskirche in Karlsruhe sowie die rührende Passage über die drei getöteten deutschen Offiziere im Buch von Axel Rudolph „Eingereist über Wladiwostok“ in einer Neuauflage von 2015. Literatur: ‪digitale-bibliothek.de‬ Kriegszeitung Nr. 11 Erinnerungen an Hans von Hoffmeister. Dauria im Sommer 1915. Seite 2 - 5 Amtlicher deutscher Heeresbericht vom 29.12. 1916 Überschrift: Ein Völkerrechtsbruch Rußlands von Walsleben, Margarete Die deutsche Schwester in Sibirien. Aufzeichnungen einer Reise durch did sibirischen Gefangenenlager vom Ural bis Wladiwostok. Seite 65 Berlin 1919 von Ernest, Ferdinand von Regenauer, Kurt Geschichte des 1. Badischen Leibdragoner-Regiments Nr. 20. Seite 310 Berlin 1925 Rudolph, Axel Eingereist über Wladiwostok. Passage im 7. Kapitel Berlin 1938 Neuauflage Hamburg 2015 Archiv des Auswärtigen Amtes - Hans von Hoffmeister - Personalia 6243 Wurzer, Georg Die Kriegsgefangenen in Russland im Ersten Weltkrieg Göttingen 2005 Zahlreiche deutsche Zeitungen US- Presse soweit bekannt: Indianapolis News vom 31. Dezember 1916 Tägliches Cincinnatier Volksblatt vom 22. Dezember 1916 Pittsburgh Daily Post vom 22. Dezember 1916 Inman Review Kansas vom 12. Januar 1917 The Boston Globe vom 31. Dezember 1916 Familienunterlagen und Dokumente

Flucht aus russischer Gefangenschaft, Erster Weltkrieg
Leutnant d. R. Hans von Hoffmeister
Karlsruhe
Eastern Front
Die Presse. Ostmärkische Tageszeitung vom 29.12.1916
Thorn
Zeitungsartikel
Erschießung nach Flucht aus russischer Kriegsgefangenschaft
Pittsburgh Daily Post vom 21.12.1916
English
Escaped Germans Killed
Pittsburgh, USA
Todesanzeige Leutnant d. R. Hans von Hoffmeister
Berlin
Preußische Kreuzzeitung vom 7.2.1917

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Dr. Alexander von Hoffmeister

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Europeana 1914-1918

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Dr. Alexander von Hoffmeister | europeana19141918:agent/16646fa30538de1d14f85f3f91058915
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Matthias Auweiler flieht aus russischer Kriegsgefangenschaft

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2 Postkarten an seine Mutter: Datum unleserlich, von einem Übungsplatz aus geschrieben, 13.7.1914, aus Trier; Militärpass; Erinnerungsfoto an seine Ausbildungskompanie, aufgenommen von Fritz Giese in Trier; Monographie zur Champagne-Herbstschlacht von 1915; Entlassungsschein vom 26.11.1918. Bei den Dokumente handelt es sich um Erbstücke der Familie. || Der Musketier Matthias Auweiler, geboren am 21.02.1891, war nach seinem Schulabschluss Fabrikarbeiter und eine Zeit lang arbeitslos. Am 15.10.1913 trat er als Ersatzrekrut in die 6. Korporalschaft der 4. Kompanie des Infanterieregiments von Horn (3. Rhein.) Nr. 29 der preußischen Armee ein, wo er ausgebildet wurde. Er nahm an Schlachten an der West- und an der Ostfront teil. Am 09.06.1915 geriet Auweiler bei Ilgize (heute in Litauen) in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er am 14.04.1917 floh. Am 15.02.1918 wurde er von deutschen Truppen an der Front aufgegriffen und kam kurz darauf in Warschau in Quarantäne. Im Anschluss daran wurde er einem Infanterieregiment angegliedert. Am 26. November 1918 endete sein Militärdienst.

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Alwin Metz Notizheft aus russischer Kriegsgefangenschaft

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Der spätere Lehrer Alwin Metz, geb. am 2. Januar 1896 in Oppurg, Thüringen, absolvierte vom 7. Januar 1914 bis zum 1. Oktober 1914 seine Reservistenausbildung an verschiedenen Orten. Als Kriegsfreiwilliger meldete er sich 1914 zum Heeresdienst. Er diente im 9. Bataillon des 224. Reserve-Infanterie-Regiments und war zunächst bis zum 18.12.1914 an der Westfront in Frankreich im Einsatz. Im November/Dezember 1914 wurde er in die Karpaten verlegt. Bei einem Gefecht gegen russische Soldaten in der Nacht zum 1. Februar 1915 erlitt er einen Unterleibsdurchschuss und wurde bei Tuchla gefangen genommen. Sein Lazarett befand sich in Stryj, in der Nähe von Lemberg. Metz wurde nach seinem Aufenthalt im Lazarett in Stryj über Brody, Kiew und die Krim nach Moskau gebracht (März 1915). Ab November 1915 war er in Blagoweschtschensk am Amur (Благове́щенск) interniert, nahe der chinesischen Grenze. Aus seinen Aufzeichnungen gehen weitere Zwischenstationen in Petropawlosk, Omsk, Tobolsk, Tjumen und Nowo Nikolajewsk hervor (August bis November 1915). Als Metz nach Blagoweschtschensk verlegt wurde, war er Leiter der Lagerbibliothek (Bücherwart und Inventarverwalter) und gründete auch einen Chor oder eine Laienspielgruppe. Metz war maßgeblich an der Gestaltung des Lagerlebens beteiligt und an der Freizeitgestaltung der Mitgefangenen. Spätestens ab Mai 1919 befand sich Alwin Metz in dem Kriegsgefangenenlager in Zairkutny-Gorodok bei Irkutsk. Alwin Metz wurde während seines Rückwegs in die Heimat mehrfach zurückgeschickt. Wahrscheinlich war es nicht der offizielle Rücktransport, sondern eine Flucht aus dem Lager, bei der er wieder gefangen genommen und ins Lager zurückgeschickt wurde. 1920 verließ Alwin Metz endgültig das Lager und kehrte am 2. Juli 1920 nach Hause zurück. Vier Tage später, am 6. Juli 1920, entließ man ihn offiziell aus der Armee. Während seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft, vom 4. Juni bis zum 2. Juli 1920, auf dem Weg von Sibirien nach Thüringen zurück, führte er ein Tagebuch, dass er in alter Gabelsberger Stenografie verfasste. Zurück in der Heimat unterhielt Alwin Metz in Briefen Kontakt zu ehemaligen Mitgefangenen. Ihm wurde nachträglich am 1. Dezember 1921 vom Weimarischen Krieger- und Vereinsbundes die Kriegsdenkmünze 1914/18 des Kyffhäuser-Bundes sowie im Juni 1921 das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen. Metz hielt zahlreiche Vorträge über seine Kriegsgefangenenzeit in Sibirien vor interessierten Bürgern und Einwohnern in Oppurg und in Neustadt und als Lehrer vor Schülern. Er war bei verschiedenen Vereinen aktiv (Imker, Geflügelzüchter, Kaninchenzüchter). Alwin Metz zog als kriegsbegeisterter Soldat in den Krieg, um gegen die Russen als Feinde zu kämpfen und kehrte nach über fünf Jahren in Gefangenschaft als Freund der Russen zurück. || Notizheft von Alwin Metz aus russischer Kriegsgefangenschaft, komplett in russischer Sprache mit der Auflistung, was der Kriegsgefangene Metz z.B. an Rationen Seife oder Butter zugeteilt bekommen hat.

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