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item 41
36 Osteuropa
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Wolf Biermann
G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g
Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987
Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann
konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel
Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich
in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller-
dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat-
schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention
in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun-
gen aktuell.
linke Spalte
I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das
Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen
spöttischen Worten beginnt das Kommunistische
Manifest von Marx und Engels.
140 Jahre später bleibt einem solcher
Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi-
schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat
und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu-
nismus genannt wird, wurde schreckliche
Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die
Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die
munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn
die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig,
ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach
innen und außen.
Wirkliche Kommunisten hatten es bisher
überall schwer - aber nirgendwo werden sie so
unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die
sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken.
Unter Stalin wurden allein zwei Millionen
kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der
DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie
gerade die linke Opposition.
II. Aber was ist nun los in Moskau? Was
bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein
Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den
Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage
Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von
Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde,
fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei
sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der
Mutter, der fällt leicht und hat Glück im
Unglück.
Dennoch würg ich seit Jahren an
diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt
vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten
Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also:
nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen
lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure
Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen.
Geiz als politische Produktivkraft. West-
Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu
nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das,
worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das
ist die politische Seelenökonomie.
rechte Spalte
Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe
ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist
jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin-
und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man
wünscht es ihnen, es soll da endlich besser
werden - aber insgeheim wünscht es in einem:
es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt.
Man gönnt denen nicht das Bessere - warum?
Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man
nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte.
III. Nun treibt die Hoffnung auf Michael
Gorbatschow Blüten. Gemessen an all seinen
Vorgängern, diesen verdorbenen Greisen, duftet
Gorbatschow wie der junge Frühling. Das
Wunschdenken steigt uns mächtig in die Nase:
Ja, es riecht mal wieder nach Revolution, es
duftet betörend nach Wahrheit. Aber im
Geschichtsprozeß geht´s nach der verworrenen
Natur des Menschen - wir haben´s erlebt - das
ist kein Verlaß auf Naturgesetze. Da geht
morgens die Sonne unter. Und nach dem Prager
Frühling kam direkt der lange Winter.
Immer kam der Gorße [Große] Bruder, der Aufpas-
ser. Mit seinen Panzern machte er die Arbei-
terrevolte von 17. Juni 58 kaputt. Er schlug
den Aufstand der Ungarn ´56 nieder. Im Verein
mit seinen falschen Warschauer-Pakt-Brüdern
konterte der Große Bruder 1968 die gutmütige
Von-oben-Revolution des Alexander Dubcek. Und
als in Polen die erste klassische Arbeiter-
revolution im katholischen Kostüm hätte siegen
können, ließ der Große Bruder den polnischen
General mit der Sonnenbrille die Dreckarbeit
machen. Aber nun? In der Sowjetunion selbst
kommen die Verhältnisse zum Tanzen. Es gibt
keinen noch größeren Bruder neben dem Großen
Bruder. Der neue Held auf dieser Bühne,
Michael Gorbatschow, muß höchstens vor denen
zittern, die unter ihm sind.
IV. Alle reden von Gorbatschow, ich auch. Wird
er? Will er? Kann er? Gorbatschow mit
seinem archipelischen Muttermal auf der Stirn,
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Title
Umweltblätter - Infoblatt des Friedens- und Umweltkreises Zionskirchgemeinde
Type
Zeitschrift
Rights
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/pl/ Creative Commons Namensnennung -Weitergabe unter gleichen Bedingungen (CC-BY-SA)
Language
deu
Country
Germany
DataProvider
Europeana 1989
Provider
Europeana 1989
DatasetName
135_Ag_EU_1989_Germany
Language
de
Story Description
Europeana 1989 - Berlin, 12-13.09.2014
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item 41
36 Osteuropa
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Wolf Biermann
G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g
Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987
Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann
konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel
Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich
in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller-
dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat-
schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention
in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun-
gen aktuell.
linke Spalte
I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das
Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen
spöttischen Worten beginnt das Kommunistische
Manifest von Marx und Engels.
140 Jahre später bleibt einem solcher
Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi-
schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat
und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu-
nismus genannt wird, wurde schreckliche
Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die
Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die
munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn
die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig,
ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach
innen und außen.
Wirkliche Kommunisten hatten es bisher
überall schwer - aber nirgendwo werden sie so
unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die
sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken.
Unter Stalin wurden allein zwei Millionen
kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der
DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie
gerade die linke Opposition.
II. Aber was ist nun los in Moskau? Was
bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein
Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den
Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage
Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von
Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde,
fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei
sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der
Mutter, der fällt leicht und hat Glück im
Unglück.
Dennoch würg ich seit Jahren an
diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt
vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten
Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also:
nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen
lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure
Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen.
Geiz als politische Produktivkraft. West-
Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu
nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das,
worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das
ist die politische Seelenökonomie.
rechte Spalte
Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe
ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist
jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin-
und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man
wünscht es ihnen, es soll da endlich besser
werden - aber insgeheim wünscht es in einem:
es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt.
Man gönnt denen nicht das Bessere - warum?
Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man
nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte.
III. Nun treibt die Hoffnung auf Michael
Gorbatschow Blüten. Gemessen an all seinen
Vorgängern, diesen verdorbenen Greisen, duftet
Gorbatschow wie der junge Frühling. Das
Wunschdenken steigt uns mächtig in die Nase:
Ja, es riecht mal wieder nach Revolution, es
duftet betörend nach Wahrheit. Aber im
Geschichtsprozeß geht´s nach der verworrenen
Natur des Menschen - wir haben´s erlebt - das
ist kein Verlaß auf Naturgesetze. Da geht
morgens die Sonne unter. Und nach dem Prager
Frühling kam direkt der lange Winter.
Immer kam der Gorße [Große] Bruder, der Aufpas-
ser. Mit seinen Panzern machte er die Arbei-
terrevolte von 17. Juni 58 kaputt. Er schlug
den Aufstand der Ungarn ´56 nieder. Im Verein
mit seinen falschen Warschauer-Pakt-Brüdern
konterte der Große Bruder 1968 die gutmütige
Von-oben-Revolution des Alexander Dubcek. Und
als in Polen die erste klassische Arbeiter-
revolution im katholischen Kostüm hätte siegen
können, ließ der Große Bruder den polnischen
General mit der Sonnenbrille die Dreckarbeit
machen. Aber nun? In der Sowjetunion selbst
kommen die Verhältnisse zum Tanzen. Es gibt
keinen noch größeren Bruder neben dem Großen
Bruder. Der neue Held auf dieser Bühne,
Michael Gorbatschow, muß höchstens vor denen
zittern, die unter ihm sind.
IV. Alle reden von Gorbatschow, ich auch. Wird
er? Will er? Kann er? Gorbatschow mit
seinem archipelischen Muttermal auf der Stirn,
- Deutsch (German)
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36 Osteuropa
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Wolf Biermann
G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g
Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987
Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann
konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel
Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich
in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller-
dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat-
schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention
in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun-
gen aktuell.
linke Spalte
I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das
Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen
spöttischen Worten beginnt das Kommunistische
Manifest von Marx und Engels.
140 Jahre später bleibt einem solcher
Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi-
schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat
und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu-
nismus genannt wird, wurde schreckliche
Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die
Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die
munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn
die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig,
ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach
innen und außen.
Wirkliche Kommunisten hatten es bisher
überall schwer - aber nirgendwo werden sie so
unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die
sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken.
Unter Stalin wurden allein zwei Millionen
kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der
DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie
gerade die linke Opposition.
II. Aber was ist nun los in Moskau? Was
bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein
Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den
Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage
Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von
Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde,
fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei
sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der
Mutter, der fällt leicht und hat Glück im
Unglück.
Dennoch würg ich seit Jahren an
diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt
vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten
Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also:
nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen
lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure
Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen.
Geiz als politische Produktivkraft. West-
Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu
nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das,
worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das
ist die politische Seelenökonomie.
rechte Spalte
Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe
ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist
jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin-
und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man
wünscht es ihnen, es soll da endlich besser
werden - aber insgeheim wünscht es in einem:
es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt.
Man gönnt denen nicht das Bessere - warum?
Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man
nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte.
III. Nun treibt die Hoffnung auf Michael
Gorbatschow Blüten. Gemessen an all seinen
Vorgängern, diesen verdorbenen Greisen, duftet
Gorbatschow wie der junge Frühling. Das
Wunschdenken steigt uns mächtig in die Nase:
Ja, es riecht mal wieder nach Revolution, es
duftet betörend nach Wahrheit. Aber im
Geschichtsprozeß geht´s nach der verworrenen
Natur des Menschen - wir haben´s erlebt - das
ist kein Verlaß auf Naturgesetze. Da geht
morgens die Sonne unter. Und nach dem Prager
Frühling kam direkt der lange Winter.
Immer kam der Gorße [Große] Bruder, der Aufpas-
ser. Mit seinen Panzern machte er die Arbei-
terrevolte von 17. Juni 58 kaputt. Er schlug
den Aufstand der Ungarn ´56 nieder. Im Verein
mit seinen falschen Warschauer-Pakt-Brüdern
konterte der Große Bruder 1968 die gutmütige
Von-oben-Revolution des Alexander Dubcek. Und
als in Polen die erste klassische Arbeiter-
revolution im katholischen Kostüm hätte siegen
können, ließ der Große Bruder den polnischen
General mit der Sonnenbrille die Dreckarbeit
machen. Aber nun? In der Sowjetunion selbst
kommen die Verhältnisse zum Tanzen. Es gibt
keinen noch größeren Bruder neben dem Großen
Bruder. Der neue Held auf dieser Bühne,
Michael Gorbatschow, muß höchstens vor denen
zittern, die unter ihm sind.
IV. Alle reden von Gorbatschow, ich auch. Wird
er? Will er? Kann er? Gorbatschow mit
seinem archipelischen Muttermal auf der Stirn,
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item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück. Dennoch würg ich seit Jahren an diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also: nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen. Geiz als politische Produktivkraft. West- Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das, worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das ist die politische Seelenökonomie. rechte Spalte Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin- und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man wünscht es ihnen, es soll da endlich besser werden - aber insgeheim wünscht es in einem: es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt. Man gönnt denen nicht das Bessere - warum? Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte. III. Nun treibt die Hoffnung auf Michael Gorbatschow Blüten. Gemessen an all seinen Vorgängern, diesen verdorbenen Greisen, duftet Gorbatschow wie der junge Frühling. Das Wunschdenken steigt uns mächtig in die Nase: Ja, es riecht mal wieder nach Revolution, es duftet betörend nach Wahrheit. Aber im Geschichtsprozeß geht´s nach der verworrenen Natur des Menschen - wir haben´s erlebt - das ist kein Verlaß auf Naturgesetze. Da geht morgens die Sonne unter. Und nach dem Prager Frühling kam direkt der lange Winter. Immer kam der Gorße [Große] Bruder, der Aufpas- ser. Mit seinen Panzern machte er die Arbei- terrevolte von 17. Juni 58 kaputt. Er schlug den Aufstand der Ungarn ´56 nieder. Im Verein mit seinen falschen Warschauer-Pakt-Brüdern konterte der Große Bruder 1968 die gutmütige Von-oben-Revolution des Alexander Dubcek. Und als in Polen die erste klassische Arbeiter- revolution im katholischen Kostüm hätte siegen können, ließ der Große Bruder den polnischen General mit der Sonnenbrille die Dreckarbeit machen. Aber nun? In der Sowjetunion selbst kommen die Verhältnisse zum Tanzen. Es gibt keinen noch größeren Bruder neben dem Großen Bruder. Der neue Held auf dieser Bühne, Michael Gorbatschow, muß höchstens vor denen zittern, die unter ihm sind.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück. Dennoch würg ich seit Jahren an diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also: nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen. Geiz als politische Produktivkraft. West- Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das, worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das ist die politische Seelenökonomie. rechte Spalte Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin- und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man wünscht es ihnen, es soll da endlich besser werden - aber insgeheim wünscht es in einem: es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt. Man gönnt denen nicht das Bessere - warum? Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte. III. Nun treibt die Hoffnung auf Michael Gorbatschow Blüten. Gemessen an all seinen Vorgängern, diesen verdorbenen Greisen, duftet Gorbatschow wie der junge Frühling. Das Wunschdenken steigt uns mächtig in die Nase: Ja, es riecht mal wieder nach Revolution, es duftet betörend nach Wahrheit. Aber im Geschichtsprozeß geht´s nach der verworrenen Natur des Menschen - wir haben´s erlebt - das ist kein Verlaß auf Naturgesetze. Da geht morgens die Sonne unter. Und nach dem Prager Frühling kam direkt der lange Winter. Immer kam der Gorße [Große] Bruder, der Aufpas- ser. Mit seinen Panzern machte er die Arbei- terrevolte von 17. Juni 58 kaputt. Er schlug den Aufstand der Ungarn ´56 nieder. Im Verein mit seinen falschen Warschauer-Pakt-Brüdern konterte der Große Bruder 1968 die gutmütige Von-oben-Revolution des Alexander Dubcek. Und
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück. Dennoch würg ich seit Jahren an diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also: nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen. Geiz als politische Produktivkraft. West- Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das, worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das ist die politische Seelenökonomie. rechte Spalte Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin- und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man wünscht es ihnen, es soll da endlich besser werden - aber insgeheim wünscht es in einem: es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt. Man gönnt denen nicht das Bessere - warum? Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte. III. Nun treibt die Hoffnung auf Michael Gorbatschow Blüten. Gemessen an all seinen Vorgängern, diesen verdorbenen Greisen, duftet Gorbatschow wie der junge Frühling. Das Wunschdenken steigt uns mächtig in die Nase: Ja, es riecht mal wieder nach Revolution, es duftet betörend nach Wahrheit. Aber im Geschichtsprozeß geht´s nach der verworrenen Natur des Menschen - wir haben´s erlebt - das ist kein Verlaß auf Naturgesetze. Da geht morgens die Sonne unter. Und nach dem Prager Frühling kam direkt der lange Winter.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück. Dennoch würg ich seit Jahren an diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also: nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen. Geiz als politische Produktivkraft. West- Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das, worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das ist die politische Seelenökonomie. rechte Spalte Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin- und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man wünscht es ihnen, es soll da endlich besser werden - aber insgeheim wünscht es in einem: es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt. Man gönnt denen nicht das Bessere - warum? Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte. III. Nun treibt die Hoffnung auf Michael Gorbatschow Blüten. Gemessen an all seinen Vorgängern, diesen verdorbenen Greisen, duftet Gorbatschow wie der junge Frühling. Das Wunschdenken steigt uns mächtig in die Nase: Ja, es riecht mal wieder nach Revolution, es duftet betörend nach Wahrheit. Aber im
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück. Dennoch würg ich seit Jahren an diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also: nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen. Geiz als politische Produktivkraft. West- Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das, worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das ist die politische Seelenökonomie. rechte Spalte Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin- und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man wünscht es ihnen, es soll da endlich besser werden - aber insgeheim wünscht es in einem: es soll schlecht bleiben. Idiotischer Affekt. Man gönnt denen nicht das Bessere - warum? Vielleicht nur aus Eifersicht, nur, weil man nichts Gutes mehr zum Besseren tun konnte.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück. Dennoch würg ich seit Jahren an diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also: nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen. Geiz als politische Produktivkraft. West- Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das, worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das ist die politische Seelenökonomie. rechte Spalte Aber nun dieser Gorbatschow. Und nun habe ich doch das "ND" wieder gelesen. Dabei ist jeder Blick nach drüben ein Schielen, ein hin- und hergerissenes Wünschen. Ja, ja, man wünscht es ihnen, es soll da endlich besser werden -
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück. Dennoch würg ich seit Jahren an diesem K[k]omfortablen Exil. Das Herz hängt vertrackt an vertrauten Feinden wie an alten Freunden. Und der Blick zurück tut weh. Also: nie wieder im "ND" mühsam zwischen den Zeilen lesen! Nicht Radio-DDR hörn! k[K]eine teure Hochantenne installiern fürs Ost-Fernsehen. Geiz als politische Produktivkraft. West- Berlin? - bloß schnell weg! Es liegt viel zu nah. Keinen Gedanken verschwenden auf das, worauf du keinen Einfluß nehmen kannst . . . das ist die politische Seelenökonomie.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition. II. Aber was ist nun los in Moskau? Was bedeutet dieser Gorbatschow? Ich bin kein Kreml-Astrologe. Das Exil schärft freilich den Blick, aber es fälscht ihn auch ab. Ich sage Exil. Und dabei weiß ich selber: Wer bloß von Deutschland nach Deutschland geschmissen wurde, fiel nicht so hart. Und wer, wie ich, dabei sogar in seiner Vaterstadt landete und bei der Mutter, der fällt leicht und hat Glück im Unglück.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken. Unter Stalin wurden allein zwei Millionen kommunistischer Kader ermordet. Und auch in der DDR wurde bisher niemand so wütend verfolgt wie gerade die linke Opposition.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie gern hat: abstoßend, blutig, ausbeuterisch und verlogen - gescheitert nach innen und außen. Wirkliche Kommunisten hatten es bisher überall schwer - aber nirgendwo werden sie so unerbittlich verfolgt, wie in den Ländern, die sich mit der Fahne des Kommunismus schmücken.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikel in seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell. linke Spalte I. "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus . . ." Mit diesen spöttischen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. 140 Jahre später bleibt einem solcher Spott im Halse stecken. Das, was sich inzwi- schen unter dem Firmenzeichen etabliert hat und von seinen Feinden auch genüßlich Kommu- nismus genannt wird, wurde schreckliche Wirklichkeit. Ein Kommunismus, vor dem sich die Arbeiter in Ost und West mehr fürchten, als die munteren Kapitalisten-. Ein Kommunismus, wie ihn die Bo[u]rgeoisie
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konservative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikelin seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab. Seit dem Erscheinen des Artikels, 1987, ist natürlich in der SU vieles geschehen: eine Wirtschaftsreform wurde durchgeführt, deren Verwirklichung aller- dings bisher immer noch von der Bürokratie verhindert wird. Der konervative Gegenspieler Gorbat- schows, Ligatschow, mußte gehen, die Sowjets bekamen reale Kompetenzen, die sowjetische Intervention in Afghanistan wurde beendet. Trotzdem bleibt der Artikelin seinen Befürchtungen und seinen Hoffnun- gen aktuell.
item 41 36 Osteuropa _____________________________________________________________________________________ Wolf Biermann G r o ß e S k e p s i s - G r ö ß e r e H o f f n u n g Aus: "Tageszeitung", 10.2.1987 Redaktion: Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte und jetzt in Hamburg lebende Liedermacher Wolf Biermann konnte im Februar in Moskau ein Konzert durchführen. Wir drucken aus diesem Anlaß einen Artikel Biermanns über die sowjetische Perestroika ab.
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Enrichment Mode
Edit your workspace view by using the top-right menu.
You can have the white Activity Panel docked to the right (default) , to the bottom , or as an independent overlay . If you just want to view the image, you can hide the panel using the minimise button , and then re-open it with the pen button. Adjust the size and position of your Activity Panel according to your preferences.
You enrich documents by following a step-by-step process.
Make sure you regularly save your enrichments in each step to avoid the risk of losing your work.

Step 1: Transcription
To start a transcription, select the transcription tab at the top menu of the Activity Panel. Click inside the box underneath the heading TRANSCRIPTION and start writing your transcription. When needed, use the toolbar to format your text and to add special characters and tables. A guide to the transcription toolbar is available in the Formatting section of this tutorial.
Identify the language(s) of the text using the dropdown list under the transcription box. You can select multiple languages at once.
If the item has no text to transcribe, tick the checkbox ‘No Text’.
Once you have finished your transcription, click SAVE.

Step 2: Description
You can add a description to the item underneath the Transcription section.
The first task is to identify what type of document the item is: a handwritten or printed document, a postcard, photo, drawing and/or part of a diary. Tick the category which best applies to the item. Multiple categories can be selected at once.
The second task is to write a description of the contents. Click inside the box underneath the heading DESCRIPTION. Here, you can write what the item is, what it is about, and specify the images and objects that appear in the item.
Identify the language of the description text that you wrote using the dropdown list underneath. You can only select one language.
Once you have finished your description, click SAVE.

Step 3: Location
If you find a location mentioned or recognise a place in the item, you can create a geotag and pin it to the item map. Multiple locations can be attached to the item. To tag locations, select the tagging tab at the top menu of the Activity Panel. Click the plus next to the heading LOCATIONS. Type the location into the search bar and select the result that best applies. A new pin will be placed into the map. The location name should be a clear georeference, e.g. a country, city or address. Make adjustments to the location name if necessary. You can also adjust the position of the pin by dragging it on the map. If you want to add further details to the location, you can write a (short) description. This could include extra information about the geotag (e.g. the building name or a significant event that took place at the location) or the relevance of the place to the item (e.g. the hometown of the author). You can also add a Wikidata reference to link the location to a stable source. Search for the reference using the Wikidata fields. Once you have finished your location tag, click SAVE. You can find the place(s) tagged to the item in grey at the bottom of the Location(s) section.Step 4: Tagging
Below the Locations section is the Tagging section, where you can add the following annotations:
Document Date:Here, you can add dates that correspond to the item. This could include the dates mentioned in the text (e.g. in diary pages), the date of a related historical event (e.g. the end of WWI), or when the item was created (e.g. from a dated signature on an illustration). You can either define this as a single date or as a longer time frame.
To tag dates to the item, write the start and end dates in DD/MM/YYYY format in the fields or select the dates by clicking on the calendar.
If you only have one date to add, insert the same date into both start and end fields.
If you don’t know the exact days, you can also tag the date on the scale of months (MM/YYYY) or years (YYYY).
Once you have finished your date tag, click SAVE DATE.
People:People mentioned as creators or subjects in the item can also be tagged. Depending on the information you might have, you can enter the person’s first and last names, as well as their dates of birth and death. There is also the option to write a short description of the person, explaining who they are or their relevance to the item, e.g. the person’s occupation or their relation to another tagged person.
Multiple people can be tagged to one item.
Once you have finished your person tag, click SAVE.
Keywords:Here, you can freely add keywords related to the topic and content of the item. This could include particular themes (e.g. art, music, war), subjects (e.g. children, cooking, France), or particular historical affiliations (e.g. 20th century, Austro-Hungarian Empire, Fall of the Iron Curtain).
Multiple keywords can be added and they can be written in any language.
Write your keyword tag into the field and click SAVE.
Other Sources:External websites with information about the item’s content can be linked here. This could include links to further data about a person mentioned, a particular historical event or links to digital versions of newspapers that appear in photos or clippings in a notebook.
To add a link, click the plus next to the heading ‘Other Sources’. Enter the URL into the Link field, and write a short description of this link in the Additional Description field.
Multiple links can be tagged to one item.
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Step 5: Mark for Review
Once you have saved your contribution, the task will automatically change to the Edit status. If you think the task is finished, you can mark it for review. Note that you have to be at Runner level or above to do this (see: Miles and Levels). Click on the yellow circle next to the section heading and select Review in the list that appears. The task now needs to go under Review by another volunteer.Formatting
Review
All enrichments need to be edited and reviewed by more than one volunteer to ensure that they are as accurate as possible.
Only Sprinters and Champions can edit tasks in the Review stage and mark them as Complete. (see: Miles and Levels)
You can review a task (Transcription, Description, Locations, or Tagging) when the circle next to the heading is coloured orange .
During the review process, pay close attention to the following requirements:
-
- Transcription: The complete text in the item has been properly transcribed and the transcription is formatted as accurately as possible. The correct language(s) are selected and the transcription contains no missing or unclear icons.
-
- Description: The description is accurate and detailed (especially items without text to transcribe, e.g. photos), and the appropriate categories have been ticked.
-
- Location(s): All locations have been correctly tagged. The location name is accurate and matches the coordinates and the pin on the map. The description is clear and concise, and the Wikidata reference (if any) is correct.
-
- Tagging: Document dates are completed and as precise as possible. All mentioned people are tagged and their data is correct. All added keywords are applicable to the item, and other sources have accurate information and functioning links.
Completion Statuses
| GREY |
| 1. NOT STARTED |
| Tasks have not been started. |
| YELLOW |
| 2. EDIT MODE |
| Tasks have been started, but not yet finished. Additions and edits can still be made. |
| ORANGE |
| 3. REVIEW |
| Tasks are finished, but need final review by Sprinter or Champion transcribers. |
| GREEN |
| 4. COMPLETED |
| Tasks have been fully completed and reviewed. No further changes need to be made. |
Miles and Levels
Transcribathon is a competitive marathon. You do not enrich documents alone, but compete and work with other volunteers to ensure the quality of your work. When you first create a Transcribathon account, you only have the ability to start and edit tasks. The more you enrich documents, the closer you become to advancing to a higher level, which can unlock abilities like reviewing and completing tasks.| Level | Abilities |
|---|---|
| Trainee | Basic abilities: start and edit tasks |
| Runner | Basic abilities, mark finished tasks for review |
| Sprinter | All Runner abilities, mark reviewed annotations as completed |
| Champion | All Sprinter abilities, mark reviewed transcriptions as completed |
| Tasks | Miles Received |
|---|---|
| Transcription | 1 Mile for every 300 characters transcribed |
| Description | 1 Mile for every 5 Descriptions added |
| Location | 1 Mile for every 5 Locations added |
| Tagging | 1 Mile for every 5 Tags added |
| Reviewing | 1 Mile for every 10 items marked as complete |